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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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wo haben Sie sonst noch geschlafen?« fragte er, verließ jedoch die Kajüte, ehe sie noch antworten konnte.
    Nicole lehnte sich mit klopfendem Herzen gegen die Kajütentür, während ihr die Tränen aus den Augen flossen. Als Frank sie mit seinen schmutzigen Händen betastet hatte, hatte sie ihren Stolz bewahrt; doch als Clay sie anfaßte, hatte sie sich wie eine Straßendirne benommen. Ihr Großvater hatte sie stets daran erinnert, wer sie war und daß Blut von Königen in ihren Adern floß. Sie hatte gelernt, aufrecht zu gehen und ihren Kopf hoch zu halten, und selbst damals, als der Pöbel ihre Mutter fortschleppte, hatte sie das Haupt nicht gebeugt. Was die Schrecken der Französischen Revolution bei einem Mitglied der uralten Familie Courtalain nicht fertigzubringen vermochten, war einem rüden und arroganten Amerikaner gelungen.
    Voller Scham erinnerte sie sich daran, daß sie sich seiner Berührung vollkommen ausgeliefert hatte, wie sie sich sogar wünschte, mit ihm im Bett zu bleiben.
    Obwohl sie sich fast vollständig an ihn verloren hatte, würde sie ihr Möglichstes tun, um ihren Stolz zurückzugewinnen. Sie blickte voller Bedauern hinüber zu den Koffern, die voll waren mit Kleidern, die für sie geschneidert worden waren. Wenn sie ihm die Stoffe nicht in ihrer ursprünglichen Form zurückgeben konnte, so konnte sie vielleicht doch eines Tages Mr. Armstrong für diese Kleider entschädigen.
    Rasch zog sie das dünne Musselinkleid aus, das sie trug, und streifte ein schwereres, praktischeres Gewand aus hellblauem
    Kaliko über. Sie faltete den feinen Musselin zusammen und legte das Kleid in einen der oberen Koffer. Das Gewand, in dem sie auf das Schiff gekommen war, hatte Janie über Bord geworfen, nachdem Frank es zerrissen hatte.
    Sie holte ein Blatt Papier aus einem Koffer, beugte sich über die Eckkommode und schrieb einen Brief.
    Sehr geehrter Mr. Armstrong,
    ich hoffe, daß Janie Sie inzwischen gefunden und Ihnen einige der Umstände erklärt hat, die zu unserer ungewollten Trauung führten.
    Sie haben natürlich recht, was die Kleider betrifft. Es war nur meine Eitelkeit, die mich dazu verleitete, Sie gewissermaßen zu bestehlen. Ich werde alles tun, um Ihnen den Wert dieses Materials zu ersetzen. Es mag vielleicht eine Weile dauern, bis ich das Geld auftreibe; doch ich werde mich bemühen, es Ihnen so rasch wie möglich zukommen zu lassen. Als Anzahlung werde ich Ihnen ein Medaillon hinterlassen, das einen gewissen Wert darstellt. Es ist der einzige Wertgegenstand, den ich besitze. Bitte, verzeihen Sie mir, daß meine erste Rate so bescheiden ausfällt.
    Was unsere Ehe betrifft so werde ich sie so rasch wie möglich annullieren lassen und Ihnen eine Bestätigung darüber zuschicken.
    Hochachtungsvoll,
    Nicole Courtalain Armstrong
    Nicole las den Brief noch einmal durch und legte ihn dann auf das Eckschränkchen. Mit bebenden Händen nestelte sie das Medaillon von ihrem Hals. Selbst in England, wo sie damals Geld so dringend nötig gebraucht hatte, hatte sie sich geweigert, das Medaillon aus Goldfiligran zu versetzen, in dem sich die auf ovale Porzellanscheiben gemalten Porträts ihrer Eltern befanden. Sie hatte das Medaillon immer getragen.
    Sie küßte die kleinen Porträts, das einzige, was ihr von den Eltern geblieben war, und legte das Schmuckstück auf den Brief. Vielleicht war es besser, vollständig mit der Vergangenheit zu brechen, denn nun mußte sie ihren Weg in einem neuen Land machen - allein.
    Es war schon Nacht draußen; doch der Kai war von brennenden Fackeln erhellt. Nicole ging in gemessenem Schritt über das Deck und die Gangway hinunter. Die Matrosen waren viel zu sehr mit dem Entladen der Fregatte beschäftigt, um auf sie zu achten. Die andere Seite der Mole sah düster und bedrohlich aus; doch sie wußte, daß ihr kein anderer Weg bliebe. Als sie den Rand des Waldes hinter dem Hafen erreicht hatte, sah sie Clayton und Janie unter einer Fackel beisammen stehen. Janie redete ziemlich heftig auf Clay ein, während der großgewachsene Mann ihr schweigend zuzuhören schien.
    Sie hatte keine Zeit, noch länger hier zu verharren. Sie hatte viel zu erledigen. Sie mußte die nächste Stadt erreichen, sich einen Job und eine Unterkunft suchen. Als sie die hellen Lichter des Kais hinter sich gelassen hatte, schien der Wald sie zu verschlucken. Die Bäume sahen besonders dunkel aus, groß und furchterregend. Alle Geschichten, die sie über Amerika gehört hatte, kamen ihr nun ins

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