Geliebter Tyrann
haben Sie nie geheiratet?«
»Was soll diese Frage? Ich habe Sie geheiratet, oder etwa nicht?«
»Aber es war keine echte Heirat, es war nur eine Trauung, und
Sie waren nicht einmal dabei. Dieser Stellvertreter Frank! Er küßte mich. Wußten Sie das? Er sagte, er hoffe, ich würde Sie nicht heiraten, denn dann könnte er mich noch öfter küssen. Er sagte, ich hätte einen Mund, der auf dem Kopf stünde. Finden Sie auch, daß mein Mund auf dem Kopf steht?«
Mit einem Blick auf ihren Mund hielt er im Waschen inne, und als er ihr Gesicht einzuseifen begann, sprach er immer noch nicht.
»Noch nie hat mir jemand gesagt, daß mein Mund häßlich sei.« Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Ich wette, Sie haßten es, mich zu küssen. Ich weiß, es war ein komisches Gefühl, ganz und gar nicht so, wie es sein sollte.«
»Wollen Sie nicht endlich mit diesem Gerede aufhören?« fragte Clay im Befehlston, während er ihr die Seife vom Gesicht spülte. Dann sah er, daß sich noch mehr Tränen in ihren Augen sammelten und merkte, daß sie von dem Essen nicht nüchterner geworden war- wenigstens hoffte er, daß der Brandy schuld war und sie sich nicht immer so töricht benähme. »Nein, Ihr Mund ist nicht häßlich«, setzte er nach einer Pause hinzu.
»Er ist nicht verkehrt herum?«
Er trocknete ihre Arme und ihr Gesicht. »Er ist einmalig. Nun seien Sie still, und ich bringe Sie in Ihr Zimmer, wo Sie schlafen können«, sagte er und hob sie vom Tisch herunter.
»Meine Blumen!«
Er seufzte, schüttelte den Kopf und beugte sich vor, damit sie die Blumen vom Tisch aufsammeln konnte.
Er trug sie ins Freie, hinüber ins Haupthaus, dann die Treppe hinauf, während sie sich still an ihn schmiegte. »Ich hoffe, Sie bleiben so wie jetzt und verwandeln sich nicht wieder in diesen anderen Mann. Ich werde auch nie wieder stehlen. Das verspreche ich.«
Er antwortete nicht, öffnete im ersten Stock die Tür eines Schlafzimmers, und als er sie auf das Bett legte, merkte er, daß ihr Kleid noch ganz feucht war. Als er sah, daß sie erschöpft die Augen schloß, wußte er, daß sie sich nicht mehr selbst ausziehen konnte. Leise in sich hineinfluchend, begann er sie zu entkleiden. Dabei merkte er, daß von ihrem Kleid und Hemd nach dem Fußmarsch im Regen nicht mehr viel übriggeblieben war. Als die Knöpfe nicht aufgehen wollten, riß er den Stoff entzwei.
Sie hatte einen wunderschönen Körper: mit schmalen Hüften, enger Taille und Brüsten, die keck nach oben standen. Er ging zur Kommode, um sich ein Handtuch zu holen, und fluchte immer wieder über diese unmögliche Situation. Was, zum Kuckuck, dachte sie sich eigentlich? Zuerst ihre Schenkelwunde, und nun sollte er sie noch behandeln wie ein Kind und abtrocknen! Aber sie sah gewiß nicht wie ein Kind aus, und er hatte doch kein Wasser in den Adern!
Clays heftiges Rubbeln weckte Nicole wieder aus dem Schlaf. Als sie lächelte, weil ihr diese Behandlung ein angenehmes Gefühl bereitete, warf er die leichte Steppdecke zurück und schob sie darunter. Erst, als sie seinen Blicken entzogen war, konnte er wieder ruhig atmen. Er drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen; doch sie hielt seine Hand fest.
»Mr. Armstrong«, sagte sie schläfrig. »Vielen Dank, daß Sie mich gefunden haben.«
Er beugte sich über sie und schob ihr das Haar aus der Stirn. »Ich sollte mich eher bei Ihnen entschuldigen, weil ich die Ursache für Ihr Weglaufen war. Doch jetzt schlafen Sie erst mal, und morgen reden wir weiter.«
Sie gab seine Hand nicht frei. »War es Ihnen unangenehm, mich zu küssen? Lag es daran, daß mein Mund auf dem Kopf steht?«
Es war schon ein wenig hell im Zimmer, und Clay vermutete, daß im Osten schon der Morgen heraufdämmerte. Ihr Haar war über das Kissen gebreitet, und seine Erinnerung an die Küsse, die er ihr auf dem Schiff gegeben hatte, war alles andere als unangenehm. Er beugte sich über sie, wollte sie nur leicht auf den Mund küssen; doch ihr Mund war zu verlockend. So nahm er ihre Oberlippe sachte zwischen die Zähne und liebkoste sie; er fuhr mit der Zunge über ihre Wölbung, während Nicole die Arme um seinen Nacken schlang und ihn dichter an sich heranzog.
Clay hätte fast die Kontrolle über sich verloren. Doch er löste sich noch rechtzeitig aus ihrer Umarmung und schob energisch ihre Arme unter die Bettdecke. Nicole lächelte mit geschlossenen Augen verträumt zu ihm hinauf. »Nein, Sie haben nicht festgestellt, daß ich häßlich bin«,
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