Geliebter Tyrann
mit ihr auszusprechen. Ich sagte, wenn Bianca meinen Brief lesen und beschließen würde, sie wolle nichts mehr mit mir zu tun haben, würde ich gern mit Nicole verheiratet bleiben. Schließlich hatte aber Bianca die größeren Anrechte.«
»Das scheint mir fair zu sein.«
»Mir auch; doch Nicole war anderer Meinung. Sie machte mir eine halbe Stunde lang eine Szene. Sie sagte, sie würde für keinen Mann zweite Wahl sein... Ich weiß nicht, was sie noch alles gesagt hat. Es schien mir ziemlich konfus zu sein. Alles, was ich daraus lernte, war, daß sie sich nicht sehr glücklich fühlte. In jener Nacht...« Er hielt inne.
»Nur weiter! Das ist die beste Geschichte, die ich seit Jahren gehört habe.«
»In jener Nacht«, fuhr Clay fort, »schlief sie in Beths Zimmer und ich in James' Zimmer. Als ich ihren Schrei hörte, ging ich sofort zu ihr. Sie fürchtete sich vor etwas zu Tode, also flößte ich ihr eine Menge Wein ein und brachte sie zum Reden.« Er legte die Hand über die Augen. »Sie hatte ein schreckliches Leben hinter sich. Der französische Pöbel schleppte ihre Eltern zur Guillotine fort und brannte ihr Haus nieder. Später tötete er dann ihren Großvater und trug sein Haupt auf einer Lanze vor ihrem Fenster spazieren.«
Wes verzog das Gesicht. »Und was passierte nach jener Nacht?«
Nicht das Danach war so wichtig, sondern was in dieser Nacht passierte, dachte Clay. Denn seither fand er keine Ruhe mehr, sondern hielt sie, wenn es dunkel wurde, in seinen Armen und liebte sie. »Am nächsten Tag verließ sie mich«, berichtete er leise. »Verließ mich nicht eigentlich, sondern zog nur auf die andere Seite des Flusses in die alte Mühle. Sie hat den Betrieb wieder eröffnet und macht ihre Sache verdammt gut.«
»Aber du willst sie zurückhaben, nicht wahr?« Als Clay nicht antwortete, schüttelte Wes den Kopf. »Du sagtest, du habest Probleme mit Frauen, nicht mit einer Frau. Was ist denn noch alles passiert?«
»Nachdem Nicole den Mahlbetrieb wieder eröffnet hatte, tauchte Bianca auf der Plantage auf.«
»Was ist sie für eine Frau?«
Clay wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Sie wohnte nun schon zwei Wochen in seinem Haus; doch er wußte nicht mehr von ihr als bei ihrer Ankunft. Sie schlief, wenn er morgens das Haus verließ, und schlief bereits wieder, wenn er dorthin zurückkehrte. Einmal hatte Anders ihm gesagt, sie gebe viel zuviel Geld aus; doch Clay tat diese Beschwerde mit einer Handbewegung ab. Er würde sich doch noch leisten können, ein paar Kleider für die Frau anzuschaffen, die er heiraten sollte. »Ich weiß nicht, was sie für eine Frau ist. Ich glaube, ich verliebte mich damals auf den ersten Blick in sie, als ich sie in England kennenlernte, und daran hat sich seither nichts geändert. Sie ist schön, liebenswürdig, voller Anmut und Güte.«
»Das hört sich ja an, als wüßtest du bereits eine Menge von ihr. Nun laß mich mal die Situation betrachten. Du bist mit einer hinreißend schönen Frau verheiratet und zugleich verlobt und verliebt in eine nicht weniger hinreißende Frau.«
»So ungefähr ist es.« Clay grinste. »Wenn man dir zuhört, scheine ich mich ja in einer beneidenswerten Lage zu befinden.«
»Ich könnte mir schlimmere Situationen vorstellen. Zum Beispiel den Zustand eines einsamen Junggesellen, wie ich es bin.«
Clay schnaubte. Noch mehr Frauen, als er jetzt hatte, konnte er sich wohl kaum noch leisten.
»Ich sage dir, was ich tun würde«, meinte Wes grinsend und schlug Clay auf den Schenkel. »Ich werde beide Frauen kennenIernen und dir eine davon abnehmen. Du kannst ja diejenige behalten, die ich nicht haben möchte, und das erspart dir die Qual der Wahl.« Wesley betrachtete das Problem von der scherzhaften Seite; doch Clay blieb ernst, und Wes runzelte die Stirn. Es gefiel ihm nicht, seinen Freund so bekümmert zu sehen. »Nun komm schon, Clay, das ist zweifellos die beste Lösung.«
»Ich weiß nicht«, sagte Clay. »Ich scheine mich in letzter Zeit zu nichts entschließen zu können.«
Wes stand auf und rieb sich den Rücken, wo sich die Rinde in seine Haut eingegraben hatte. »Ist diese Nicole immer noch in der Mühle? Glaubst du, ich könnte sie dort kennenIernen?« Er sah, wie es plötzlich in Clays Augen aufzuckte.
»Sicher! Sie wohnt dort mit Janie. Ich bin überzeugt, sie wird dich willkommen heißen. Sie scheint für jeden ein offenes Haus zu haben.« Da war eine Spur von Verdrossenheit in seiner Stimme.
Wes versprach Clay,
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