Geliebter Tyrann
daß er später auch noch in Arundel Hall vorbeischauen und Maggies Kochkünste ausprobieren wolle. Dann bestieg er sein Pferd und ritt zur Mole hinunter. Er ließ sein Pferd im Schritt gehen, damit er nachdenken konnte. Das Wiedersehen mit Clay war wie ein Schock gewesen. Es war fast so, als hätte er mit einem Fremden geredet. Als Kinder hatten sie viel Zeit miteinander verbracht. Dann hatte plötzlich eine Choleraepidemie Clays Eltern und Wesleys Vater hinweggerafft. Seine Mutter starb kurze Zeit später. Die gemeinsame Tragödie hatte James und Clay, Travis und Wesley stärker aneinander gebunden. Zwar hatte es lange Perioden der Trennung gegeben, wenn die jungen Männer auf den Feldern ihrer Plantagen arbeiteten; doch sie hatten sich gegenseitig besucht, so oft es möglich war.
Wes lächelte bei der Erinnerung an eine Party auf Arundel Hall, als Clay und Wes sechzehn gewesen waren. Die beiden Jungs hatten gewettet, daß sie jeder eine von den knusprigen Canton-Zwillingen hinter eine Hecke ziehen könnten. Das war ihnen beiden auch mühelos gelungen, nur war ihnen Travis auf die Schliche gekommen, hatte beide Jungen beim Genick gepackt und sie in den künstlichen Teich geworfen.
Was war aus diesem Clayton geworden? fragte Wes sich jetzt. Der Clay, den er früher gekannt hatte, hätte nur über diese absurde Situation mit den beiden Frauen gelacht. Er hätte die, die er haben wollte, gepackt und sie in sein Schlafzimmer getragen. Er kannte den Mann, der die Entführung einer englischen Lady arrangiert hatte; doch der Mann, der sich so benahm, als habe er Angst, nach Hause zu gehen, war für ihn ein Fremder.
Wes stieg unter einem Baum bei der Mole vom Pferd und sattelte es ab. Seiner Vermutung nach mußte etwas mit dieser Französin nicht stimmen. Clay hatte gesagt, sie habe für Bianca gearbeitet- zweifellos als Dienstmädchen, irgendwie hatte sie sich wohl an Biancas Stelle gedrängt und sich auf diese Weise einen reichen Amerikaner geangelt. Zweifellos erpreßte sie nun Clay irgendwie, damit er sie als Ehefrau behielte. Immerhin war es ihr bisher gelungen, Clay die Mühle und noch andere Dinge zu entreißen.
ünd in welcher Situation befand sich Bianca? Wesley spürte eine kräftige Portion Mitleid für diese Frau. Sie war nach Amerika gekommen in der Erwartung, den Mann zu heiraten, den sie liebte, um dort eine andere an ihrer Stelle vorzufinden.
Er band sein Pferd an dem Baum an, stieg in das Ruderboot und überquerte damit den Fluß. Er kannte sich recht gut in der Mühle aus, denn das war eines seiner bevorzugten Verstecke in seiner Jugendzeit gewesen. Er lächelte, als er die Zwillinge am Ufer kauern sah, wie sie einen Ochsenfrosch beobachteten.
»Was macht ihr beiden denn da?« rief Wes laut.
Die Zwillinge sprangen fast gleichzeitig in die Höhe, drehten sich dann um und lächelten zu ihm hinauf.
»Onkel Wes!« krähten sie, ihn bei seinem Ehrentitel nennend. Sie kletterten die Böschung hinauf, wo er mit offenen Armen auf sie wartete.
Wes faßte sie beide um die Taille und schwenkte sie im Kreis, während die beiden vergnügt kicherten. »Habt ihr mich vermißt?«
»Oh, ja«, antwortete Mandy lachend. »Onkel Clay läßt sich kaum noch blicken; doch Nicole ist hier.«
»Nicole?« fragte Wes. »Ihr mögt sie wohl, nicht wahr?«
»Sie ist hübsch«, antwortete Alex. »Sie war mit Onkel Clay verheiratet; aber ich weiß nicht, ob sie das noch ist.«
»Natürlich ist sie mit ihm verheiratet«, sagte Mandy. »Sie wird immer mit Onkel Clay verheiratet bleiben.«
Wes stellte die Kinder auf den Boden zurück. »Ist sie im Haus?«
»Ich glaube, ja. Manchmal ist sie auch in der Mühle.«
Wes fuhr den beiden Kindern mit der Hand über die Köpfe, »ich sehe euch noch später. Vielleicht könnt ihr mit mir über den Fluß rudern. Ich habe mich mit eurem Onkel Clay zum Abendessen verabredet.«
Die Zwillinge wichen vor ihm zurück, als wäre er giftig. »Wir bleiben lieber hier«, sagte Alex. »Wir müssen nicht mit dir ins Haus zurück.«
Ehe Wes den Kindern noch eine Frage stellen konnte, drehten sie sich um und rannten in den Wald hinein. Wes kletterte den Hügel zu dem kleinen Haus hinauf. Janie war allein in dem Raum im Erdgeschoß, saß, versunken in ihre Arbeit, am Spinnrad. Wes öffnete leise die Tür und trat auf Zehenspitzen hinter sie. Er drückte ihr einen lauten Kuß auf den Nacken.
Janie bewegte sich nicht und zeigte sich auch nicht überrascht. »Nett, dich wiederzusehen, Wes«, sagte
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