Geliebter Tyrann
würde sie sich endlich sicher fühlen können. Dann würde es Zeugen geben, die beschworen, daß Clay allein sie liebte und sie begehrte.
Das Wort Bianca zuckte durch ihren Kopf; doch Clays Küsse verscheuchten schnell diesen Namen. Drei Tage, hatte er gesagt Was konnte in drei Tagen alles passieren?
11
Als Nicole am nächsten Morgen aufwachte, konnte sie gar nicht glauben, was alles in der Nacht passiert war. Es erschien ihr zu gut, um wahr zu sein. Sie war allein im Schlafzimmer, und die Sonne schien hell durch das Fenster. Sie lächelte, als sie die aufgeregten Stimmen unter ihrem Fenster hörte. Die Pferderennen sollten wieder beginnen. Sie sprang aus dem Bett und zog sich rasch ein schlichtes Gewand aus karamellfarbenem Musselin an.
Sie brauchte mehrere Minuten, um den Weg aus dem Haus zu den Tischen zu finden, die für das Frühstück vorbereitet waren. Sie aß Rühreier, als sie plötzlich merkte, daß die Leute um sie sehr still wurden. Sie schienen alle nacheinander zu verstummen.
Nicole stand auf und sah zum Landungssteg hinunter. Sie glaubte, ihr Herz höre auf zu schlagen. Da kamen Wesley und Bianca den Pfad herauf. Nicole hatte sich an dieser Stelle sicher gefühlt, weit weg von Bianca; doch nun sah sie die Welt um sich Zusammenstürzen.
Bianca schritt zuversichtlich auf die um die Tische versammelten Gäste zu. Sie trug ein Kleid aus malvenfarbenem Satin, das am Saum mit großen schwarzen Blumen bestickt war. Breite Spitzen säumten den Ausschnitt und die hochgezogene Taille. Ihre großen Brüste waren kaum verhüllt von dem glänzenden Atlasgewebe. Sie trug einen Sonnenschirm aus dem gleichen Stoff.
Während Nicole die beiden näherkommen sah, begann sie sich schon über die Stille der anderen zu wundern. Sie wußte, daß sie von Biancas Ankunft verstört war; doch weshalb berührte das auch die anderen Leute, die sie gar nicht kannten? Sie blickte auf die Versammelten und sah einen Ausdruck der Überraschung auf allen Gesichtern.
»Beth«, hörte sie zum wiederholten Male. »Beth!«
»Wesley«, rief Ellen über den Rasen hin. »Du hast uns aber erschreckt!« Sie begann den beiden entgegenzulaufen. »Willkommen«, sagte sie und streckte ihre Hand aus.
Obwohl die beiden nun schon den Tischen sehr nahe waren, konnte Nicole sich immer noch nicht bewegen. Wesley entfernte sich jetzt von Bianca, die sich bereits einen Teller nahm. Die Frauen umlagerten sie.
»Hallo«, sagte Wesley zu Nicole. »Wie gefallen dir unsere Virginia-Partys bisher?«
Als Nicole ihn ansah, waren ihre Augen voller Tränen. Warum, fragte sie sich. Warum hatte er Bianca hierhergebracht? Haßte er sie aus irgendeinem Grund und wollte sie daher von Clay trennen?
»Nicole«, sagte Wesley und legte seine Hand auf ihren Arm. »Vertraue mir. Bitte?«
Sie konnte nur nicken. Sie hatte keine andere Antwort für ihn.
Ellen stand hinter Wes. »Wo hast du sie gefunden? Hat Clay sie schon gesehen?«
Wesley lächelte. »Er hat sie gesehen.« Er hielt Nicole seinen Arm hin. »Darf ich dich zur Rennbahn begleiten?«
Stumm nahm sie seinen Arm.
»Was weißt du über Beth?« fragte Wes, als die anderen ihnen nicht mehr zuhören konnten.
»Nur, daß sie mit Clays Bruder tödlich verunglückte«, antwortete Nicole. Sie blieb plötzlich stehen. »Bianca sieht wie Beth aus, nicht wahr?«
»Zunächst ist es ein Schock. Wenn sie stumm dasteht, ist sie Beth zum Verwechseln ähnlich; doch sobald sie den Mund öffnet, verflüchtigt sich dieser Eindruck rasch.«
»Dann hat Clay also...«, begann sie.
»Ich weiß es nicht. Ich kann nicht für ihn sprechen. Ich weiß nur, daß ich zuerst dachte, sie wäre Beth. Und ich weiß, daß Clays... Sympathie für sie sich auf ihrer Ähnlichkeit mit Beth gründet. Etwas anderes kann es nicht sein, weil sie nicht gerade das ist, was ich eine angenehme Frau nennen würde.« Er grinste. »Clay und ich hatten ihretwegen einen Meinungsaustausch.« Er schob den Unterkiefer hin und her. »Ich dachte nur, es würde ihm gut bekommen, wenn er euch beide zusammen sieht.«
Nicole erkannte, daß er es gut mit ihr meinte; aber sie selbst hatte ja beobachtet, wie Clay Bianca anschaute, sie geradezu angehimmelt hatte. Sie wußte nicht, ob sie es ertragen konnte, daß er eine andere Frau noch einmal mit solchen Augen ansah.
»Wie sind die Rennen gestern ausgegangen? Hat Clay Travis besiegt? Das hoffe ich doch.«
»Ich glaube, es ging unentschieden aus«, lachte Nicole, die froh war über diesen Themawechsel. »Aber
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