Geliebtes Monster
Blut, nach Fleisch und nicht ausschließlich nach totem Fleisch. Ihr wißt, wie ich das meine.«
»Du siehst also für Tabea eine Gefahr?«
»So ist es.«
»Dann müßte man sie warnen.«
»Bingo, Glenda. Deshalb möchte ich dich bitten, daß du uns ihre Anschrift heraussuchst.«
»Wollt ihr hin?«
»Erst mal telefonieren. Den Sender kennst du. Wenn die Scotland Yard hören, werden sie kooperativ sein.«
»Das will ich doch hoffen.« Glenda nahm die leeren Kaffeetassen mit, als sie das Büro verließ. Ich drehte mich auf dem Stuhl herum und schaute Suko an, der Löcher in die Luft starrte.
»He, warum sagst du nichts?«
»Was hätte ich denn zu sagen. Ich bin in der Nacht nicht dabeigewesen.«
»Hört sich an, als wärst du deswegen sauer. Bill hat mich angerufen. Beschwere dich bei ihm.«
»Ja, ja, ist schon gut.«
»Außerdem hätte sich keiner von uns vorstellen können, welchen Verlauf die Nacht noch nimmt.«
»Da hast du recht.«
»Meinst du denn, daß wir auf dem richtigen Weg sind?«
»Ich hoffe es.« Suko grinste mich über den Schreibtisch hinweg an.
»Aber das ist nicht das Problem. Dir sitzt zwar die Zeit im Nacken, doch ich glaube nicht, daß die Moderatorin zu dieser frühen Stunde schon aufnahmebereit ist. Sie wird schlafen und…«
»Von uns geweckt werden.«
»Es ist neun Uhr durch.«
»Also nicht sehr unchristlich.«
»Versuche es.«
Das hatte ich vor, aber zunächst einmal mußte Glenda die Anschrift und auch die Telefonnummer herauskriegen. Ich hörte, daß sie noch telefonierte und drückte uns die Daumen.
Sehr lange dauerte es nicht. Dann öffnete sich die Tür, und sie kehrte zurück. Sie lächelte und schwenkte dabei den Zettel in der rechten Hand. »Gut, daß ihr mich habt.«
»Sagen wir doch immer.«
Glenda verzog das Gesicht. »Du lügst tatsächlich, ohne rot zu werden, John.«
»Wo wohnt die Lady denn?«
»Falls sie eine Lady ist. – Sie wohnt in Chelsea. Ihr braucht nicht mal weit zu fahren.«
»Wie schön für uns.«
»Aber Vorsicht«, sagte Glenda und legte den Zettel auf meinen Schreibtisch. »Am Sender sagte man mir, daß Tabea Torny gern lange schläft und in den Morgenstunden ihr Telefon abgestellt hat. Ob sie bei euch eine Ausnahme macht, kann ich nicht sagen.«
»Das werden wir gleich haben.« Mit der linken Hand hielt ich den Hörer, mit der rechten wählte ich die Nummer, die Glenda notiert hatte, und bekam keine Verbindung. Auch der Anrufbeantworter war nicht eingeschaltet worden. Tabea wollte wirklich ihre Ruhe haben.
»Und jetzt?« fragte Glenda.
Ich legte den Hörer wieder auf den Apparat. »Das weiß ich auch nicht«, gab ich zu.
»Wolltet ihr nicht zu ihr fahren?«
Ich schoß in die Höhe. »Genau das ist es.«
Glenda war rasch einen Schritt zurückgegangen. »Verarschen kann ich mich allein, John.«
»Meine Güte, was bist du wieder sauer!«
»Das muß man ja bei dir werden. – Viel Spaß noch.« Sie drehte sich um und ging.
Ich schaute Suko an und hob dabei die Schultern. »Weißt du, was Glenda hat?«
»Nicht direkt, aber sie scheint einen schlechten Tag zu haben. – Nimm es locker.«
»Was bleibt mir sonst übrig?« Den Zettel steckte ich ein und holte die Jacke vom Haken. »Dann wollen wir mal.«
Suko folgte in meinem Kielwasser, Glenda telefonierte. Sie bedachte uns mit keinem Blick, so schrieb ich ihr schnell eine Notiz, damit sie Sir James, unseren Chef, informieren konnte.
Dann waren wir weg.
Im Lift brach Suko das Schweigen. »Einen genauen Grund weiß ich eigentlich nicht, aber ich habe das Gefühl, daß heute noch einiges auf uns zukommt.«
»Richtig. Und hoffentlich auch das Monster. Ich möchte nämlich nicht, daß es noch weitere Menschen tötet…«
***
Jeden Abend eine einstündige Talk-Show durchzuziehen, das kostet schon Kraft. Immer wieder neue Gäste zu haben, auf die man eingehen mußte, immer neue Herausforderungen, die nicht spurlos an einem Menschen vorübergehen.
Auch Tabea Torny bildete da keine Ausnahme. Sie war nicht nur vor und während der Sendung ziemlich aufgedreht, sondern auch noch nachher.
Oft genug auch durch Kritiken der Kollegen, und so dauerte es immer lange, bis sie die entsprechende Ruhe gefunden hatte und dann den Schlaf fand.
Vor Mitternacht war das nur selten der Fall. So hatte sie sich angewöhnt, erst am Vormittag aufzustehen. Sie wollte morgens also nicht gestört werden und hatte das Telefon abgestellt. Sogar eine Schlafbrille hatte sich vor die Augen geklemmt, um nicht
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