Gelyncht - Gus Dury ; 2
möchten Sie sich nicht setzen?« Ich ging zu ihr. Ihr Blick war in eine unbestimmte Ferne gerichtet, ihre Augen hatten einen versonnenen Ausdruck. »Kommen Sie, setzen wir uns ins Nebenzimmer.« Die arme Frau war völlig fertig. Es zerriss mir das Herz, wenn ich daran dachte, was sie bereits wegen der kleinen Chrissy durchgemacht hatte, und jetzt würde ihr einziger Sohn hinter Gitter wandern. Ich rief Mac zu: »Bring ihr einen Brandy.«
Den ganzen Weg ins Hinterzimmer schüttelte sie den Kopf, wieder und wieder. Ihre Lippe zitterte, als wir uns setzten. Ich sah, wie sie die Stuhllehne umklammerte. »Sie verstehen das nicht.«
Ich nahm meine Zigaretten heraus und steckte mir eine an. Ich bot ihr auch eine an, aber sie starrte das Päckchen an, als wäre es ein fremdartiges Artefakt. Sie war in schwarze, tiefschwarze Gedanken versunken. Ich fragte mich, würde ich oder sonst jemand zu ihr durchdringen?
Mac brachte den Brandy, den sie in einem fast schon verzweifelten Zug hinunterstürzte. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, ein paar klebten an ihren feuchten Lippen, doch das schien sie gar nicht zu bemerken. Ich sah, wie sie das leere Glas so fest umklammert hielt, dass ich schon meinte, es würde in ihrer Hand zersplittern. Ich nahm es ihr ab, stellte es auf den Tisch. Einen langen Augenblick herrschte ein bedrückendes Schweigen zwischen uns, dann hob sie die Augen und begann langsam zu sprechen. »Sie verstehen das nicht.«
Ich sprach mit gedämpfter Stimme. »Dann erklären Sie es mir, Katrina.«
Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. Sie zeigte eine gewisse Belustigung beim Klang ihres Namens. »Die bin ich nicht mehr.«
»Tut mir leid, ich verstehe nicht …«
Ihr Lächeln verblasste, als sie den Blick zur Decke hob. »Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, sie zu sein …«
Ich wusste, sie befand sich an einem Ort, an dem absoluter Schmerz herrschte. Ich war selbst schon mehrere Male dort gewesen, aber irgendetwas an ihr sagte mir, dass ich noch nie so weit gegangen war. Ich beobachtete sie durch den aufsteigenden Zigarettenrauch. Ihr Kontakt mit der Realität schien mindestens so hauchzart zu sein wie die grauen Fahnen, die um uns herumtrieben. Sie schien meinen Blick zu spüren, wie ich sie anstarrte, drehte sich zu mir und schaute mich an. »Ich erinnere mich an die merkwürdigsten Dinge … die merkwürdigsten Dinge.«
Ich nickte, spürte, dass sie sich dadurch animiert fühlte fortzufahren.
»Als Chrissy gerade drei geworden war, haben wir ihr ein kleines Dreirad geschenkt. Es hatte eine Klingel, die aussah wie ein Marienkäfer. Sie hat dieses kleine Dreirad geliebt. Das Klingeln folgte uns überallhin. Über Wochen hörten wir dieses Klingeln überall im Haus …« Sie senkte den Blick auf den Tisch, verknotete ihre Finger ineinander. »Wir hatten schon überlegt, sie abzuklemmen …« Eine Träne rollte ihr über die Wange. »Was würde ich drum geben, diese Klingel wieder hören zu können.«
Sie hob die Hände vom Tisch, umklammerte wieder die Stuhllehnen. Ihre Knöchel zeichneten sich weiß ab. Aber immer noch kein Flackern in diesen Augen. Ihr Blick war fest. Sie war verloren in Gedanken und Tagträumen, nicht wirklich bei uns. Ich hatte keine Worte, die sie trösten konnten. »Gibt es jemanden, den ich anrufen könnte?«
»Nein!« Sie reagierte schroff und empört, umklammerte den Stuhl noch fester. »Es gibt niemanden!«
Ich spürte, wie mir das Herz vereiste bei dem Anblick vor mir; die Frau war völlig fertig. Sie brauchte Hilfe, ärztliche Hilfe, wahrscheinlich ein Beruhigungsmittel. Ich war für die Aufgabe, sie zu trösten, nicht geeignet. »Ich denke gerade, Sie wissen schon –«
Sie fiel mir ins Wort, beugte sich abrupt vor. »Mr. Dury, ich muss Ihnen sagen –«
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, brachte nur ein genuscheltes »Was denn?« heraus.
»Wegen Mark.«
»Hören Sie, Sie sind dafür nicht verantwortlich.«
Sie ließ sich auf ihrem Stuhl zurücksinken, fing an zu weinen. Es waren tiefe, gequälte Schluchzer aus einem Teil von ihr, den jemand anderer niemals kennenlernen wollte. Ich sah das Zittern ihrer Schultern und legte eine Hand auf ihren Arm. »Kommen Sie.«
Sie vergrub den Kopf in den Händen. »Ich konnte nicht noch ein Kind verlieren.« Sie versteifte sich. Ich zog meinen Arm zurück. »Ich wusste, dass er ihn töten würde«, sagte sie.
»Katrina, das müssen Sie nicht tun.«
»Ich wusste, als er anfing, sich dieser Gang anzuschließen, da
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