Gelyncht - Gus Dury ; 2
jetzt sitzen mir zwei wackere Bullen im Genick, die jeden meiner Schritte im Auge behalten.«
»Mein Gott!«
»Was hat der damit zu tun? Allerdings sehen die zwei schon ein bisschen wie diese Zeugen-Jehovas-Typen auf Klinkenputztour aus.«
»Wo bist du jetzt?«
»Frisch aus dem Knast entlassen.«
»Schon eine Idee?«
»Du kennst mich – Mr. Kreativ.«
»Tja, dann mach, lass hören.«
Ich gab Hod die nötigen Informationen. Sagte, er solle in seine Karre springen und vor dem Cameo Cinema auf mich warten. Ich steckte mein Handy weg und ging wieder hinaus auf die Straße.
Ich führte die Bullen in die Lothian Road. Bei der St. Cuthbert’s Cathedral machte ich einen Abstecher auf den Friedhof. Dort gibt es einen Wachturm, ein Überbleibsel aus der Zeit, als Burke und Hare in Edinburgh ihre grabräuberischen Possen trieben. Ich bleibe immer kurz stehen, um ihn mir anzusehen – er erinnert mich daran, dass diese Stadt mehr zu bieten hat, als die meisten Menschen denken.
Ging weiter zu der Lavazza-Kaffeebude und nahm einen großen Schwarzen. Das hielt mein Zittern einigermaßen in Schach, bis ich etwas Stärkeres in die Finger bekam.
Eine rumänische Bettlerin kam auf mich zu. Sie hielt ein Stück Pappe, auf dem stand: BITTE HELFEN KIND FÜTTERN. GOTT SIE SEGNEN. Ich sah sie an. Ihr Gesicht war dunkel, hatte tiefe Falten. Sie trug ein rotes Kopftuch; kunstvolle Stickerei und Perlen rahmten ihr Gesicht ein. Darunter schien sie in eine Decke gewickelt zu sein. Und ganz unten ragten Nikes heraus, das Logo deutlich zu erkennen.
Sie machte Anstalten, den Mund zu öffnen, hob zwei zusammengepresste Finger an die Lippen. Dachte: das internationale Zeichen für Ich hab gottverdammt Hunger , richtig?
»Du willst essen?«, fragte ich.
Sie sah mich an, streckte ihre Hand aus.
Neulich hatte ich einen Artikel in der Zeitung gelesen, in dem stand, dass verschiedene Leute beobachtet hätten, wie Busladungen dieser rumänischen Bettler an strategischen Punkten der Stadt abgesetzt wurden. Ich fand, das klang wie die typische reißerisch aufgemachte Story für einen an echten Nachrichten armen Tag. Diese Frau hier sah bettelarm aus, am Verhungern.
Ich hakte nach. »Hör zu, du willst essen? Ich werde dir etwas zu essen kaufen.«
Sie streckte die Hand aus, fuhr mit einem Finger über die Handfläche. »Geld. Geld.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kaufe dir Essen.« Sie zerschnitt die Luft zwischen uns mit der Handfläche. »Nein, Geld.«
Ihr Gesicht verzerrte sich. Biss die Zähne zusammen und beschimpfte mich auf Rumänisch, ein Schauer an Flüchen, dann spuckte sie mir vor die Füße. Hätte schwören können, hinter mir ein Lachen zu hören; drehte mich um, um mich zu vergewissern, dass meine Schatten immer noch aktiv waren.
Schätze, sie war dann wohl doch nicht so hungrig. War ich jetzt verflucht?
Ich ging weiter bis ans obere Ende der Lothian Road und folgte der Querstraße bis zum Cameo. Es ist eines der wenigen Kinos der Stadt, das noch nicht von einer der internationalen Ketten übernommen worden ist. Sieht auch immer noch aus wie ein Kino – Stuck, altmodische Balkone, kunstvoller Putz. Keine Spur von Getränkehaltern aus Plastik. Es gibt immer noch Sitze, die sich anfühlen, als wären sie mit Rosshaar gepolstert.
Das Cameo soll angeblich weltweit Quentin Tarantinos Lieblingskino sein. Ich hätte da eher auf Grauman’s Chinese Theatre in Hollywood getippt, aber was wusste ich denn schon? Das ist die Sache an einer Heimatstadt: Man verliert den Blick für ihre Vorzüge. Es erfordert Touristen, einen Besucher, um dich darauf aufmerksam zu machen. Eines weiß ich ganz genau – wenn wir das Cameo verlieren, wird diese Stadt um etwas Wichtiges ärmer sein. Wir haben ohnehin schon viel zu viele von den alten Sachen verloren.
Ich kaufte eine Karte für die Frühvorstellung: Todeszug nach Yuma. Ein Remake des Klassikers Zähl bis drei und bete , mit Russell Crowe in einer Hauptrolle. Mein Gott, wurde in den letzten zehn Jahren überhaupt mal eine Originalverfilmung gedreht? Wie auch immer, ich beabsichtigte ja sowieso nicht, mir das Ding anzusehen. Würde meinen Zwecken dienen.
Ich machte es mir in der hintersten Reihe bequem. Auf dem Sitz ganz außen, direkt an der Tür.
Sah zu, wie die Bullen reinkamen. Es gab einen kleinen Wirbel.
Ich hörte: »Scheiße.«
Ein paar verärgerte Laute.
Sie entschieden sich für die gleiche Reihe wie ich. Auf der anderen Seite des Kinos. Welche andere Wahl blieb
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