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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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steht.«
    Cecilia ließ sich auf ihren Stuhl sacken und wirkte womöglich noch zerbrechlicher als sonst. Für jemanden, der sich als Hundertjährige ausgab, war das eine beachtliche Leistung.
    Audrey gab Kaffeeweißer in ihren Tee, löffelte Berge von Zucker hinein und rührte um. Cecilias Theatralik wirkte jedoch:
Zweifel und Schuldgefühle winselten am Rande von Audreys Gedanken. Sie hasste Cecilia dafür.
    »Es ist alles getan, um die Waagschalen zu ihren Gunsten zu neigen«, sagte Audrey. »Habe ich Henry nicht so in Angst und Schrecken versetzt, dass er Mr. Farmington hergeschickt hat? Und habe ich den Jungen dann nicht dazu gebracht, so viel zu enthüllen, wie er es wagte?«
    »Du meinst, dass Fiona ihn dazu gebracht hat.«
    »Ja, das war unerwartet.« Audrey bemerkte, dass sie immer noch ihren Tee umrührte, und hörte auf damit.
    »Sie wird schneller erwachsen, als du denkst. Wie ihre Mutter, nachdem sie die Liebe kennengelernt hatte.«
    Audrey ließ ihren Löffel klirrend fallen, und Cecilia zuckte zurück.
    Warum behielt sie diese alte Vettel nur? Eines Tages würde sie zu weit gehen, und dann würde Audrey ihr blutleeres Herz durchbohren und Cecilia vom Leiden der Welt erlösen.
    Audrey nippte an ihrem Tee. »Haben wir ihnen nicht alle Werkzeuge im Keller hingestellt, die sie brauchen?«
    »Das Ergebnis einer schnellen und flüchtigen Weissagung, die ihnen nur die Hälfte dessen verschafft hat, was sie brauchen«, murmelte Cecilia, »und zur Ergänzung eine als Buch verkleidete Sammlung von Lügen .«
    Audrey zuckte die Schultern. »Sie hätten die Wahrheit nie geglaubt, wenn man sie ihnen gesagt hätte. Aber das Buch … sie lieben doch ihre Bücher, nicht wahr? Sie glauben alles, was geschrieben steht.«
    Cecilias dünne Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. »Henry würde sterben, wenn er wüsste, dass irgendjemand seine alten Schriften liest.«
    »Ich glaube nicht, dass wir so viel Glück haben werden.« Cecilia dachte darüber nach, und ihr Lächeln verblasste. »Eliot und Fiona sind noch nicht bereit für die Prüfung: Fünfzehn Jahre alt, und sie sind so unschuldig. Du hast alles unterdrückt, was sie hätten sein können.«
    »Sie sind schlauer als jedes andere Kind inner- oder außerhalb dieser Familie. Das wird genügen müssen.«

    Audrey wünschte sich, Cecilia wäre still gewesen. Noch mehr Zweifel tauchten in Audreys Verstand auf. War es das Richtige gewesen, sie zu verstecken? Was für eine Wahl hatte sie gehabt? Eliot und Fiona waren machtlos, ja, aber wenn sie ausgebildet worden wären, hätten die Familien sie gefunden … und verschlungen.
    Die Familien. Plural.
    Es war schlimm genug, dass ihre Seite die Kinder entdeckt hatte. Wenn die Familie ihres Vaters sie aufspürte, war das vielleicht das Ende des langen Waffenstillstands zwischen den beiden Clans.
    Cecilia zog die Spinnwebteekanne nahe heran und goss dampfendes Wasser in eine Porzellantasse. Ihr Gesicht verzog sich zu einem trotzigen Ausdruck.
    Audrey seufzte und nickte. Sie würde ihr eine einfache Weissagung gestatten, aber nicht mehr als das.
    Cecilia mischte schneeweiße Blüten und eine Prise Tollkirsche ins Wasser und rührte mit dem Finger um. Dämpfe stiegen aus der Tasse auf. Ihre matten Augen flammten auf, während die Nebel dichter wurden und sich zu Strängen verflochten.
    Cecilias Problem bestand darin, dass ihre Wahrsagegabe durch ihre heftigen Gefühle beeinträchtigt wurde – Gefühle, die sie ironischerweise zugleich zur größten Bereicherung für Audrey machten.
    Eine von ihnen musste Gefühle haben.
    Audrey sehnte sich danach zu lieben – bedingungslos, unablässig und irrational -, aber sie hatte schon vor langer Zeit beschlossen, sich von diesen Möglichkeiten abzuschneiden. Sie hatte sich entschieden, den Kopf zu behalten, immer wieder neu zu berechnen und zu überleben. Koste es, was es wolle. So hielt ihresgleichen das.
    Die Nebelranken, die aus Cecilias Tasse emporstiegen, schlängelten sich über die Tischdecke. Auf diesem Rauch saß eine Spinne aus Dampf, die mit zitternden Beinen jeden einzelnen Faden prüfte.
    »Was siehst du?«, fragte Audrey.

    Cecilia und ihre Spinne sprachen gleichzeitig; die eine krächzte, die andere quiekte. »Gefahr. Im Wasser ist Hunger, und ich höre …« Sie schnappte überrascht nach Luft. »Musik!«
    Musik war ein böses Vorzeichen. Es deutete wahrscheinlich auf die andere Familie hin.
    Audrey wollte das Spinnennetz berühren, hielt ihre Hand aber zurück.

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