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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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bewundernd und verspürte einen Anflug von … wovon? Eifersucht?
    Vielleicht.
    Er hatte sich an die Geige gewöhnt, als sei er schon mit ihr
in den Händen geboren worden. Er hatte Ratten gezähmt, Souhk besänftigt und brachte nun anscheinend auch noch die Luft zum Tanzen. Was konnte er noch?
    Und was konnte sie? Fakten und Statistiken hervorwürgen wie ein lebendes Lexikon? Tische abräumen? Wozu war das nütze, wenn sie heute einem geistesgestörten Brandstifter die Stirn bieten mussten?
    Sie konnte schneiden.
    Fiona streifte ihr Gummiarmband über und schnipste damit. Es ließ ihr Handgelenk brennen. Entsetzt hielt sie inne und betrachtete ihre Hand.
    Sie musste vorsichtig sein. Wenn sie jetzt in der falschen geistigen Verfassung gewesen wäre, dann hätte sie sich vielleicht die Hand abgetrennt … und wäre verblutet.
    Was war also ihre Begabung? Zerstörerin von Dingen? Zerschneiderin? War das ein Talent oder ein Fluch?
    Sie dehnte das Gummiband zu einer straffen Linie und schwang es gegen eine nahe Gartenstatue. Es schnitt durch den Betonputto, als wäre er gar nicht da.
    Der Kopf des Putto fiel krachend zu Boden; sein kindliches Gesicht starrte zu ihr hinauf.
    Das fühlte sich gut an.
    Wenn sie es sich in den Kopf setzte, dann war sie imstande, alles zu durchschneiden. Niemand würde sie aufhalten können. Nicht einmal der eindrucksvolle Onkel Aaron. Nicht einmal Großmutter.
    Der Gedanke ließ sie innehalten.
    Nein. Sie wäre niemals dazu fähig, etwas Lebendiges zu zerschneiden.
    Sie kniete sich hin und berührte das Gesicht des Engelchens. »Tut mir leid«, flüsterte sie ihm zu.
    Ihr knurrte der Magen, und ihr Blut wurde kalt. Sie musste etwas essen.
    Sie schmeckte Schokolade auf den Lippen, aber ihre Trüffel waren längst fort. Hatte sie nicht beschlossen, dass sie sich nicht mehr auf sie verlassen würde? Sie würde nur immer mehr und mehr brauchen, um denselben Zuckerrausch zu erleben.

    Eliot hörte auf, seine Geige zu stimmen, und wandte sich ihr zu. »Ich bin fertig.«
    »Geh schon vor. Ich komme gleich nach.«
    »Geht’s gut?«
    »Klar.« Fiona stand langsam auf. »Kein Problem. Ich brauche nur eine Sekunde.«
    Eliot nickte. »Ich sage Großmutter, dass du gleich da bist.« Er zögerte, als wolle er noch mehr sagen, als würde er spüren, dass sie Schwierigkeiten hatte. Aber dann wandte er sich ab und rannte die Treppe hinauf; seine Taschenlampe schwankte wie verrückt durchs Dunkel.
    Noch einen Tag zu leben – wie konnte das sein? Doch Tante Dallas hielt es für wahr. Und wenn Fiona sich auf die Vorhersage konzentrierte, die sie durch den Faden gesehen und gespürt hatte … dann wusste auch sie, dass es wahr war.
    Sie brauchte wirklich einen Trüffel: einen Happen Schokoladencreme, Buttertoffee, Kirschlikör … nur einen.
    Und warum auch nicht? Warum sollte sie nur die langweilige, alte Fiona Post sein? Die Fiona Post, die immer zu Boden sah und sich nie durchsetzte? Stand heute Nacht nicht das Leben eines kleinen Mädchens auf dem Spiel? Gar nicht zu reden von Eliots und ihrem. Hätte sie nicht alles in ihrer Macht Stehende tun sollen, um so gut zu sein, wie sie konnte?
    Wenn sie es recht bedachte – war es nicht selbstsüchtig von ihr, das Einzige wegzuwerfen, das sie stark machte?
    Und wenn sie nur noch einen Tag zu leben hatte, warum sollte sie sich überhaupt irgendeine Freude versagen?
    Sie holte tief Luft. Jetzt wusste sie, was sie zu tun hatte.
    Fiona stapfte nach oben und hinaus in den Durchgang, rannte zu dem Müllcontainer, in den der Müllschlucker des Gebäudes mündete.
    Sie hob den Deckel an und kletterte in den Container.
    Der Gestank verschlug ihr den Atem: Windeln und Grillfleischreste, Seetang und ein Hauch Benzin. Sie zuckte vor den Gerüchen zurück und fiel fast aus dem Container.
    Doch dann drückte sie sich das Taschentuch über die Nase und schwenkte ihre Taschenlampe hin und her.

    Eine Ratte blinzelte sie furchtlos an und widmete sich dann wieder ihrem schimmeligen Marmeladen-Doughnut.
    Was tat sie hier? Durchwühlte sie wirklich gerade nachts einen Müllcontainer? Auf der Suche nach etwas, von dem sie sich nicht ganz sicher war, ob es gut für sie war? Und schob die zweite Prüfung hinaus …
    Aber sie konnte auch nicht aufhören.
    Der Strahl ihrer Taschenlampe traf ein blutrotes Herz. Es war mit Fastfood-Verpackungen bedeckt. Sie schnappte sich den Kasten, rieb Fett und Mayonnaise ab und drückte ihn an ihr Herz. Dann sicherte sie den Deckel und schob den

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