Gemischte Gefühle
und Transparente schwenkte. RADIKALDEMOKRATEN SOLIDARISIEREN SICH. JUSO-BEZIRKSVORSTAND RUHRSTADT: KEIN ABBRUCH AUF DEM HOLUNDERBERG.
„Hebt mich hoch“, preßte Luster hervor. „Schneller, schneller. Ich muß das aufnehmen. Ein großartiges Motiv. Hoch mit mir.“
Robby winkte Don the Dope und einige andere Männer zu sich heran, und mit vereinten Kräften stemmten sie den Livemann in die Höhe.
„Leute“, schrie Luster in sein Mikrofon, „hier ist Livemann Luster vom Holunderberg. Ein Wunder ist geschehen. Durch verzweifelte Anstrengung ist es der Initiative Bürger gegen Baumafia gelungen, den fortschrittlichen Teil der Bevölkerung in kürzester Frist zu mobilisieren. Noch sind es verhältnismäßig wenige, aber unten im Tal verdicken sich die Fahrzeuge und Menschen und bilden ein Rinnsal, einen Wildbach, einen … einen reißenden Strom empörter Bürger. Es ist unglaublich. Es ist großartig. Die Polizei zögert. Zögert, ihre Wasserwerfer und Gasgranaten einzusetzen, denn man hat ihnen immer beigebracht, daß sie es bei Demonstrationen mit Anarchos und Militanten zu tun haben, aber diese Leute dort, die ihren bedrängten Mitbürgern zu Hilfe eilen, sind Mitglieder des DGB, der Radikaldemokratischen und Sozialliberalen Partei, sind Studenten und Mütter, sogar ein Stadtverordneter ist dabei, und da sehe ich einige Journalisten … Die Räumungsaktion der Nowossnys und Pfeifes muß durchgesickert sein … Livemann Luster vom Holunderberg, liebe Leute … Bleiben Sie am Apparat. Noch ist keine Lösung in Sicht, noch kann dieses Pulverfaß explodieren, aber ich sehe jetzt in den Gesichtern der Menschen, daß es keine Gewalt geben wird, nicht von ihrer Seite … Livemann Luster, liebe Leute, live und in Farbe vom Holunderberg …“
Und die Menschenmenge wogte hin und her, Fahnen schwenkend, Transparente schüttelnd, und die Maisonne beschien alles mit ihrem warmem, klaren Licht.
HOSEN RUNTER, NOWOSSNY! verlangte ein Transparent.
Robby lächelte. Zusammen mit Pete Paranoia und Terrier Protkop samt Anhang stemmte er den Livemann mit seiner schweren Ausrüstung in die Höhe, aber irgendwie, auf eine geheimnisvolle, unerschütterliche Weise wußte er, daß sein Arm niemals erlahmen, niemals müde werden würde.
Niemals.
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… ist die sich als Bürgerinitiative tarnende Bewegung Bürger gegen Baumafia (BgB) keineswegs von nur lokaler Bedeutung. Im Gegensatz zum vergangenen Berichtsjahr erhöhten sich die registrierten Kontakte zu regionalen und republikweiten, dem linksextremistischen Spektrum zugeordneten Gruppen um mehr als das Zwölffache. Insbesondere sei auf die enge Verflechtung mit dem lokalen und regionalen Apparat der Radikaldemokratischen Partei hingewiesen. Mitgliederzahl und Sympathisantenzahl nahmen gleichfalls erheblich zu; bekannt sind rund eintausend eingetragene Mitglieder, und die Zahl der Sympathisanten ist nur schwer abzuschätzen, hegt vermutlich jedoch sehr hoch, zumal die BgB es aufgrund der speziellen Situation im Problemfeld Holunderberg verstanden hat, die Bevölkerung im hohen Maße für ihre Ziele zu mobilisieren. Ziel der weiteren Observation ist die Vervollständigung des V-Mann-Netzes und die Eindämmung des Einflusses der BgB im nicht-radikalisierten Teil der Bevölkerung …
Sonderbericht IV-38/A, Dezernat 3, Bundesamt für Verfassungsschutz – Bürgerinitiativen, Sekten, K-Gruppen –, nichtautorisierte Veröffentlichung durch „BgB-Info 6“
Karl-Ulrich Burgdorf Ein Tag im Zentrum
Als B. am Dienstag den Zentrumsbescheid im Büro des Abteilungsleiters vorlegte, blickte ihn der Abteilungsleiter nur kurz an und wies ihn darauf hin, daß eine Lohnfortzahlung in der Zeit seiner voraussichtlichen Abwesenheit nicht erfolgen würde. B. erwiderte, der entsprechende Erlaß sei ihm bekannt und er sehe die innere Logik dieser Regelung natürlich ein.
Am Nachmittag erledigte B. die ihm aufgetragenen Arbeiten mit der ihm eigenen Sorgfalt, jedoch offensichtlich ohne innere Beteiligung. Den anderen Angestellten, die gleich B. in der Verwaltungsabteilung arbeiteten, fiel seine fast unnatürliche Ruhe kaum auf, da B. ohnehin als still und in sich gekehrt bekannt war.
Zur üblichen Stunde räumte B. die Unterlagen von seinem Schreibtisch, nahm den Mantel vom Kleiderständer und setzte den Hut auf. Nachdem er seine Arbeitskarte hatte abstempeln lassen, reihte er sich in den Menschenstrom vor dem Fabriktor ein und ließ sich zur nächsten Haltestelle der U-Bahn
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