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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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auch keine Chancen, einer der ganz Großen zu werden. Dazu hat er zu wenig Ausstrahlung. Er ist zu kühl. Ich muß ihn so einsetzen, wie es das Geschäft verlangt. Vielleicht noch drei- oder viermal. Dann …“ Er drückte auf einige Knöpfe der Tastatur; die Zahlen auf dem Bildschirm verschwanden.
     
    An diesem Abend wartete Christa, bis Alf die Trainingsräume verließ. Er machte freiwillig mehr, als von ihm verlangt wurde, und so hatte sie eine halbe Stunde warten müssen. Sie tat so, als sei das Zusammentreffen rein zufällig. Er war überrascht; ob er erfreut war, konnte sie nicht erkennen.
    „Was tun Sie eigentlich, wenn Sie nicht trainieren?“ fragte Christa, als sie gemeinsam den Weg der Grünanlage, die das Stadion umschloß, entlanggingen.
    „Ich studiere das Verhalten der Tiere. Ich probiere neue Waffen aus. Ich lasse mir die Videobänder von alten Kämpfen abspielen. Ich habe genug zu tun – mir wird es nicht langweilig.“
    „Füllt Sie das wirklich aus?“ fragte Christa. „Warum tun Sie das eigentlich? Wissen Sie nicht, daß Sie Ihr Leben riskieren? Wollen Sie unbedingt ein Held sein – ist es das?“
    Alf zögerte mit der Antwort. „Ein Held sein … vielleicht. Aber nicht so wie Sie meinen. Nicht wegen der Leute, der Zuschauer. Ich will die Kämpfe bestehen als Prüfung für mich selbst. Ich möchte wissen, wozu der Mensch fähig ist. Diese Tiere sind stärker und schneller als wir, es sind Raubtiere, auf gewaltsames Töten ausgerichtet. Und auf der anderen Seite ein schwaches Wesen, das sich gegen sie wehrt. So begann der Aufstieg der Menschheit – daß wir uns gegen äußere Gewalt zu verteidigen hatten. Diese Fähigkeiten sind noch nicht erloschen. Man muß sie am Leben erhalten.“
    „Handelt es sich denn wirklich um einen ausgeglichenen Kampf? Dazu müßten die Chancen gleich verteilt sein. Das mag früher einmal so gewesen sein – aber heute? Da ist der Mensch, der sich durch künstliche Spielregeln auf einige wenige leichte Waffen beschränkt, und da ist das Tier, von fernen Planeten herangebracht, nur um abgeschlachtet zu werden. Hat dieses mit allen Mitteln des Managements aufgezogene Theater noch die geringste Ähnlichkeit mit den Kämpfen des Menschen der Vorzeit?“
    „Eben deshalb beschränken wir unsere Ausrüstung auf ein Minimum“, warf Alf ein, „damit echte Auseinandersetzungen zustande kommen, ein Wettbewerb zwischen gleich starken Partnern. Die Tiere sind durchaus nicht nur Schlachtvieh, sie haben ihre Chance. Und wenn sie gewinnen, bleiben Sie am Leben – alle Zoodirektoren der Welt freuen sich, daß sie auf diese Weise Schaustücke aus fremden Welten bekommen, noch dazu solche, die unter den Klimabedingungen der Erde existieren können.“
    Während er sprach, blickte ihn Christa immer wieder von der Seite her an. Jetzt hatte er für Momente seine Kälte verloren – man spürte das Engagement in seinen Worten. Sie berührten Christa mehr, als sie sich anmerken ließ. Als er geendet hatte, sagte sie nur leise: „Ich habe nicht die Tiere gemeint.“
    Sonst benutzte Alf die Untergrundbahn, um in sein Apartment zu kommen. Diesmal brachte ihn Christa in ihrem Auto hin. Als er ausstieg, fragte er sie, ob sie mit ihm kommen wolle. Es war ein spontaner Einfall, den er sich selbst nicht erklären konnte, eine Reaktion auf irgend etwas in ihrem Verhalten, das er zweifellos nicht bewußt empfunden hatte. Kaum waren die Worte ausgesprochen, so spürte er so etwas wie Verlegenheit, und er wollte mit einem Hinweis auf die gute Aussicht von seiner Wohnung oder auf die neue Stereoanlage fortfahren, doch noch ehe er dazu kam, hatte Christa schon zugesagt. Sie parkte ihren Wagen und ging mit ihm.
    Er fühlte sich noch immer unsicher, als sie sein Apartment betraten, aber Christa benahm sich völlig unbefangen und natürlich. Sie ging von selbst in die Küche, um ein Mixgetränk zusammenzubrauen, etwas aus Milch und Früchten, denn Alf trank weder Kaffee noch Alkohol. Dann saßen sie zusammen vor der Fensterwand und sahen über die flachen Dächer der neuen Stadtteile, die um das Stadion herum entstanden waren – es war eine ganze Industrie, die davon lebte. Aber jetzt dachten sie nicht an Magazine, Fernsehinterviews, Publicity Shows, sondern sie blickten über die Szenerie, als wäre es ein fremdes Land mit fremden Bewohnern – so, als ob sie Abstand von allem hätten, als wäre diese Kulisse nur aufgebaut, um mit ihrem nebelverhangenen kubischen Relief das Besondere der

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