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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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letzten Reserven. Er hatte jahrelang geübt, um diese Stufe der Selbstbeherrschung zu erreichen.
    Und dann ging alles überraschend schnell – er legte die Panzerung an, den Helm, die Schulterstücke, die Schaumstoffpolster für Unterleib und Beine, und er prüfte die Waffen, die man ihm gegeben hatte. Er kannte alle Modelle, und sie lagen gut in der Hand.
    Endlich stand er draußen innerhalb des Kreises. Obwohl der Gravitonenschild das Licht nicht beeinflußte, hatte er das Gefühl, inmitten einer matt schimmernden Kugel zu stehen. Der Ring der Zuschauer im Außenraum war nur undeutlich zu erkennen – ein Wellen und Wogen wie an der Meeresoberfläche über einer Untiefe.
    Das alles aber war nur Kulisse, unbedeutend, nicht beachtenswert. Wichtig war allein das Tier, das dort drüben, auf der anderen Seite der Sandfläche hockte, eine Flugechse von Aldebaran, die lauernd dasaß, die muskelbesetzten Hebel ihrer Hinterbeine hoch-aufgewinkelt, die Flughäute gespannt. Er kannte diese Tiere: Sie waren blitzschnell, sie pflegten ihre Gegner mit den spitzen Schnäbeln im Gleitflug zu erreichen und aufzuspießen. Das übrige besorgten dann die wie Messer wirkenden Auswüchse an den Fußgelenken.
    Alf Fisher hatte keine Zeit zum Überlegen. Das Ungeheuer blähte sich einen Moment lang auf und fuhr dann mit einem bestürzend schnellen Satz auf ihn zu, ein lebender Pfeil, dessen tödliche Spitze der Schnabel aus stahlhartem Horn war. Hätte er eine Sekunde gezögert, wäre er getroffen worden. So aber glitt er mit einer eleganten Bewegung beiseite, und von dem Moment an gab es keine Bedenken, keine Überlegungen mehr – er agierte und reagierte geschmeidig, mit zunehmender Sicherheit, wurde kühl bis zur Ernüchterung und gewann dann wieder Freude an den prächtigen Reflexen seines Gehirns und seiner Muskeln, die die Auseinandersetzung zu einem Tanz machten, indem er die Schrittfolge zu bestimmen schien, eine Demonstration der Gewandtheit und Überlegenheit. Er gebrauchte seine Waffen sparsam, benützte die Elektropeitsche nur, um das Tier aufzustacheln, ähnlich wie die Stierkämpfer früherer Tage. Und er selbst bestimmte das Ende, nicht zu früh und nicht zu spät: Mit einem mächtigen Satz sprang er auf den breiten Rücken des Reptils, der Bruchteil einer Sekunde reichte ihm, um die vorbereitete Haftladung am dritten Nackenwirbel zu befestigen. Er befand sich bereits wieder zehn Meter von der Echse entfernt, als die Ladung losging und eine Fontäne von Blut, Knochen und Hornsubstanz auslöste. Und dann war das Tier nur noch ein zuckender Haufen Fleisch.
     
    Der Direktor ließ sich die Statistiken über den Bildschirm ausgeben: die Zuschauerzahlen, die Einschaltquoten, die Wettergebnisse. Er verglich die Zahlen mit den Notizen auf seinem Block und hakte Zeile für Zeile ab. Dann wandte er sich subtileren Analysen zu: den Vorhersagen der Sportredaktionen, den Umfrageergebnissen, dem Beliebtheitstest.
    „Er macht sich gut“, murmelte er.
    Unversehens blickte er auf, wandte sich zu Christa. „Hast du gehört? Er macht sich gut.“
    „Wer macht sich gut?“ fragte Christa.
    „Alf Fisher, wer sonst?“
    Christa nickte nur.
    „Wirklich vorbildlich, dieser Mann. Er nimmt seinen Beruf ernst. Immer pünktlich beim Training. Nicht der kleinste Versuch, sich einmal ohne Rücksicht auf die Vorschriften zu amüsieren.“ Er wiegte den Kopf, blätterte in einigen Zeitungsausschnitten aus Illustrierten. „Groß und blond, sympathisch. Verschlossen und humorlos. Ein Kämpferherz – und beschränkte Intelligenz. Er erinnert mich an jemanden. Mir fällt der Name nicht ein. Weißt du, wen ich meine?“
    Christa schüttelte den Kopf. „Nein.“
    „Und kein einziges illegales Geschäft! Ehrlichkeit, Dummheit, Gleichgültigkeit. Manchmal kenne ich mich mit den jungen Leuten nicht mehr aus.“
    „Muß es immer gleich Dummheit sein, wenn sich jemand nicht für Geschäfte interessiert?“ fragte Christa plötzlich angriffslustig.
    Göbli schob die Akten beiseite und zeichnete sinnlose Figuren auf die Schreibunterlage – Pfeile, die in alle möglichen Richtungen wiesen. „Wie viele Kämpfe sollen wir ihn noch bestehen lassen, was meinst du?“
    „Er hat doch erst drei hinter sich“, erwiderte Christa. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch dann schwieg sie.
    „Er ist überraschend schnell auf der Beliebtheitsskala gestiegen. Soll das so weiterlaufen? Brauchen wir einen neuen Star? Ich hab’ ihn nicht als Star engagiert. Er hat

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