Gemischte Gefühle
Mutter “ , sagt er mit allem Ernst und Nachdruck, „ ich hatte damals keine gewöhnliche Erkältung, sondern – wie sich später herau s stellte – eine Rippenfellentzündung, und du hast sie unb e handelt gelassen. Ich wollte dich nie mit diesem Wissen b e lasten, aber …“ – hier setzt euer Autor eine betrübte Miene auf – „… dein unfrommer Hochmut läßt mir keine Wahl. “ Ergri f fen von der Taktik des Augenblicks, strafft er sich und legt seiner gereizten leiblichen Mutter eine Hand auf die Schu l ter. „ Ja, es war eine Rippenfellentzündung, und du hast sie ohne Behandlung gelassen. Doch ich verzeihe dir. Wie ein Sohn verzeihe ich dir. Laß uns auf deine Gesundheit tri n ken. “ Er kippt Slibowitz ins Stamperl und reicht es seiner erbleichten leiblichen Mutter. „ Auf dein Wohl, liebe Mu t ter! “
„ Wie … wie kannst du so etwas sagen “ , greint sie in halb entr üs tetem, halb weinerlichen Ton, wie man ihn bisweilen von Säuglingen hört, denen das Rülpsen schwerfällt. Doch es läßt sich nicht behaupten, daß dieser Mutterkreuzträgerin das Rülpsen schwerfiele. Sie drückt sich eine Hand auf den Leib und rülpst mit Wucht eines Hardrock-Orkans, schwankt selber infolge der endogenen Erschütterung.
Ungerührt von diesem Anschlag aufsein Wohlbefinden gießt ihr lieber leiblicher Sohn von neuem Slibowitz ein. „ Trink noch ein Gläschen, Mütterlein “ , rät er in scheinheil i ger Schmeichelei. „ Das ist gut für die Verdauung. “ Von di e ser Fürsorge übermannt, befolgt das Mütterlein die Empfe h lung. „ Du kannst ruhig noch einen vertragen “ , lügt wie g e druckt ihr Sohn und leert durch abermaliges Füllen des Stamperls die Flasche zur Hälfte. Überwältigt von der Her z lichkeit ihres leiblichen Sohnes, trinkt das Mütterlein auch diesmal das Stamperl aus, und da wird es anfallartig von Schluckauf gepackt und taumelt gegen den Kühlschrank, tritt mit dem Fuß in den durch Gewalteinwirkung bodenl o sen Rahmen einer Schublade, stammelt etwas über die Ga l lenblase. Darauf jedoch kann jetzt keine Rücksicht geno m men werden. Die Zeit drängt, denn im Flur raschelt die lei b liche Schwester des in tausend Nöten befindlichen Science Fiction-Autors nun mit Garderobe! Noch einmal füllt er das kleine Trinkgefäß . „ Gegen Schluckauf hilft nichts besser als ein tüchtiger Schluck “ , versichert er heuchlerisch und stützt seine leibliche Mutter am Ellbogen, um ihr den Arm mit dem Slibowitz unter Anwendung sanfterer Gewalt ans Kinn zu heben. Sie schnappt nach Luft und stottert herum, aber sie trinkt, und unterdessen rutscht ihr die altmodische Han d tasche vom anderen Unterarm und fällt zwischen die vielen hundert Scherben des zuvor bloß 44teiligen Speiseservice Mylady Platin. „ Wir müssen gleich gehen, Mütterchen. Am besten trinkst du jetzt aus. “ Euer listiger Autor benimmt sich ganz so, als fülle er das Stamperl nun zum ersten Mal, o b wohl das so wenig erstmals geschieht wie an diesem mißr a tenen Tag erstmalig die Sonne aufging. Nach diesem Gl ä schen erleidet sein armes Mütterchen einen ernsten Ersti c kungsanfall, die Augen werden glasig, die Wangen fleckig, es krümmt sich und röchelt, und in diesem Moment kehrt eures Autors leibliche Schwester zurück in die Küche. Ge i stesgegenwärtig ergreift er sein liebes leibliches Mutterherz unter den Schultern und hält es ihr entgegen wie ein dahi n gerafftes Lamm. „ Schau dir doch bloß ma l d as an “ , ruft er mit kläglicher Stimme. „ Kaum wende ich für einen Auge n blick den Rücken, da betrinkt sich deine Mutter! Ich hätte nicht gedacht, daß ich so etwas noch erleben müßte. “ Er schleift seine leibliche Mutter ins Wohnzimmer und bettet sie in einen Sessel mit aufgerissenem Polster, dessen Beine abgebrochen sind, während seine leibliche Schwester nut z los die Hände ringt und beim Bemühen, sich eine anzuzü n den, ringsum ihre Zigaretten verstreut wie die Madonna der Trümmerfrauen.
„ Meine Güte! Warum hast du nicht aufgepaßt ?! Was jetzt? Was jetzt? “ Ihre Hände fuchteln und fummeln, Tabak rieselt zwischen ihren Fingern hindurch, sie sucht vergeblich das Feuerzeug.
„ Leg ’ ihr kalte Umschläge auf, das stabilisiert den Krei s lauf, “ empfiehlt euer Science Fiction-Autor. „ Inzwischen fahre ich allein in die Psychiatrie und erkundige mich d a nach, was los ist. “ Bevor seine dermaßen überrumpelte lei b liche Schwester irgendein Wort herausbringt, eilt er aus
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