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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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müssen.
    Und während B. sich noch an diese Szene erinnerte, ließ der Weißgekleidete zum ersten Mal den Ochsenziemer au f sein nacktes, hochgerecktes Gesäß niedersausen.

Herbert W. Franke
Schaukampf
     
    Der Lärm war ohrenbetäubend. Wie eine Flüssigkeit wogte er in der Schale des Stadions, brandete über die Kö p fe einer Hunderttausende zählenden Menschenmasse, quoll über die Ränder der Emporen und wurde schließlich an der konkaven Überdachung reflektiert. Ein schaurig dumpfes Rauschen, das die Magenwände zum Beben brachte, darüber ein Wi n seln und Kreischen, Schreien und Heulen, Wellenberge der Ekst a se – betäubend, berauschend, schwindelerr e gend. Man konnte sich nur dagegen wehren, wenn man mitschrie, mi t brüllte, eins wurde mit diesem Orkan entfesselter Aggress i on.
    Alf Fisher stand weit oben, am Rand des Südturms, der längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden war, in einem für das Publikum gesperrten Sektor. Er lehnte am Geländer, blickte hinunter ins Oval. Staub wehte von der Sandfläche auf. Dort kämpften zwei Wesen – eines erinnerte an eine Schlange, der plattgedrückte Leib war mindestens zwanzig Meter lang. Die Waffen des Tieres: ein gekrümmter Schn a bel, mit dem es zuschlug wie mit einer Harpune, und ein Stachel am Schwanz, mit dem es auf den Gegner einstach. Diese Kampfweise bedingte, daß es sich herumwarf wie ein Fisch auf dem Trockenen, daß es hochschnellte, durch die Luft wi r belte und wie ein Hufeisen gekrümmt zur Erde ni e derfuhr.
    Das andere Tier gehörte zu den Flugsauriern – man hatte ihm die Flügel gestutzt, damit es nicht wegflattern konnte. Es kämpfte mit Klauen und Zähnen; wie ein Schuß klang es, wenn sein Maul einmal ins Leere schnappte.
    Der Kampf wogte hin und her. Fetzen horniger Haut fl o gen, orangefarbene Gallerte drang zwischen Panzerringen hervor, rostbraunes Blut zeichnete Kringel in den Sand. Schließlich verbiß sich der Schnabel in den Hals der Schlange, dicht hinter dem Kopf. Wie Sägen arbeiteten die Zahnreihen – als der Drache endlich von seinem Widers a cher abließ, hing der Schlangenschädel nur noch lose am sich windenden Körper.
    Alf ließ den angehaltenen Atem pfeifend den Lungen entweichen. Als er vor drei Tagen auf der Erde angeko m men war, hatte er geglaubt, in den langen Jahren Abstand gewonnen zu haben, eine neue Sicht, die trotz aller Bege i sterung nüchterner war, berechnender, bewußter. Doch jetzt merkte er, daß es ihn mitriß wie damals, als er noch unter der Aufsicht des Erziehers mit den Klassenkameraden i r gendwo dort unten in der Menge eingekeilt gestanden hatte. Er fühlte das gleiche Herzklopfen, die gleiche Benomme n heit, das gleiche Hochgefühl, einem unbeschreiblichen Abenteuer beizuwohnen. Seit damals hatte es kein anderes Ziel für ihn gegeben, als Gladiator zu werden – die höchste Stufe des Heldentums in einer spannungslosen Welt. Es war anders gewesen als bei vielen seiner Freunde aus dem Inte r nat, die Raumschiffkapitäne werden wollten, Versuchspil o ten oder Planeten-forscher. Auch ihm war der Gedanke spontan gekommen, aus aufgewühlten Emotionen heraus, unter dem Eindruck des Erlebens, aber er hatte seiner Pha n tasie nicht gleich nachgegeben, er war davor zurückg e schreckt, nach den Sternen zu greifen. Dann aber, nach und nach, war die Idee in ihm gereift, er hatte einen Entschluß gefaßt und sich eine Aufgabe gestellt. Seither war er seinen Weg gegangen, Schritt für Schritt, ohne nach rechts oder links zu blicken, unbeirrt. Und jetzt stand er dicht vor dem Ziel. Heute würde die Entscheidung fallen …
    Die Pause war vorbei; die Fanfaren schmetterten ihre Hymne – die Hymne der Gladiatoren. Denn jetzt war die Zeit der letzten Runde gekommen, Abschluß und Höh e punkt des Spektakels: der Kampf zwischen Mensch und B e stie. Es war die Verkörperung menschlicher Daseinsbehau p tung an sich, das älteste Drama der Weltgeschichte und doch zeitlos wie Verzweiflung oder Hoffnung, Angst oder Mut, Untergang oder Sieg.
    Und dann ertönte ein Röhren aus einem geifernden Maul, ein sechsfüßiges Ungeheuer flitzte in die Arena, ein kege l förmiger Kopf, lange Zahnreihen zwischen gefletschten Li p pen, kugelige Facettenaugen, gesträubtes Gefieder. Es war ein Riesentapir aus den Sümpfen des Heron 4, eines fernen Hi m melskörpers, über Entfernungen von Lichtjahren herbeig e bracht, um sein Leben unter den Hieben der Ele k tropeitschen, den Strahlen der Laserpistolen und den Einschlägen

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