Gemischte Gefühle
er mit einer echten, heftigen, geradezu ve r zweifelten Leidenschaft geliebt wurde. War das noch die kühle Christa mit dem unbeweglichen Puppengesicht, die unnahbare Schöne an der Seite eines modernen Imperators, der mit Menschen und Schicksalen spielte? Plötzlich war sie ein Mensch aus Fleisch und Blut, plötzlich hatte sie ihre Maske verloren, zeigte eine neue Persönlichkeit – mensc h lich offenherzig, sensibel und verletzlich. Und dann traf es ihn wie ein Schlag, als er erkannte, daß auch bei ihm einige Minuten genügt hatten, um fest gefaßte Vorsätze zum Wa n ken zu bringen, daß er anfällig war wie alle anderen, beei n flußbar, charakterlos …
Er stand abrupt auf und sagte: „ Morgen kämpfe ich gegen eine Hornspinne. Es hat erst einen Kampf mit einem solchen Tier gegeben, ich muß mir die Aufzeichnung ansehen. “
„ Stört es dich, wenn ich noch ein wenig hierbleibe? “
„ Wenn du unbedingt willst “ , antwortete Alf kalt. Er legte die Videokassette ein und zog den Vorhang vor der Gro ß bildwand beiseite. Er drückte auf einen Knopf, und die Kla r sichtscheiben der Fenster wurden dunkelbraun. Dämmerung senkte sich über den Raum, als sei draußen plötzlich ein Unwetter aufgezogen.
Und dann erschienen die Szenen des Kampfes an der Wand – lebensgroß, in Stereo, so wie man es von einem Vorzugsplatz der Tribüne aus sieht. Alf war wieder voll konze n triert, er registrierte jede Bewegung des Tiers und des Kämpfers. Es war ein hochgewachsener blonder Mann, der sich sicher und geschickt bewegte. Selbst Alf fiel es auf, daß er ihm ähnelte.
Christa kauerte in einem Stuhl, der hinten in einer Ecke stand. Daß es gerade dieser Kampf sein mußte! Sie hätte die Fäuste vor die Augen pressen wollen, aber sie war zu keiner Bewegung fähig. Mit aufgerissenen Augen verfolgte sie das Geschehen.
Der Kampf verlief zuerst ganz nach Programm, geführt von einer überlegenen Intelligenz. Der Mann zeigte, was er konnte, es war fast wie ein Spiel, das er mit dem Raubtier trieb, er näherte sich ihm, ließ die Arme scheinbar achtlos sinken und wartete in Wirklichkeit doch mit höchster Au f merksamkeit auf die geringste Regung … um dann, wenn der Hieb des Horns erfolgte, zur Seite zu schnellen und den Strang der Elektropeitsche über die gerippte Haut zu zi e hen.
Doch dann änderte sich der Ablauf plötzlich auf unvo r hergesehene Weise. Die Bestie schien von Minute zu M i nute an Kraft und Schnelligkeit zu gewinnen, der Mann, der immer noch ruhig und gelassen vorging, wurde mehr und mehr in die Verteidigung gedrängt, er erhielt einen Schlag mit dem H o rn und noch einen, er war verwundet und wehrte sich immer noch, und er bekam weitere Schl ä ge, die ihn an der Abwehr hinderten, und zuletzt lag er b e wegungslos, mit zerschmetterten Knien am Boden und suchte die Angriffe mit der Machete abzuwehren. An di e ser Stelle erwachte Christa aus ihrer Erstarrung. Sie drehte sich um und preßte ihr Gesicht gegen ein Kissen. Sie kan n te jede Szene des G e schehens, das dort ablief – kein Kampf mehr, sondern nur noch die letzten Zuckungen einer Kre a tur, die systematisch und effektvoll abgeschlachtet wurde. Es sah fast so aus, als fühlte sich die Bestie nun überlegen, als wollte sie den Spieß umkehren und beweisen, daß auch sie die Spielregeln kan n te. Und so kam dieser Tod nicht unvorhergesehen und übe r raschend, sondern allmählich, Stück für Stück, und er ze r störte nicht nur den Körper, sondern auch den Stolz des Mannes, der da am Boden lag und begriff, daß er besiegt worden war und daß es mit ihm zu Ende ging.
Als Christa die Augen öffnete, war der Bildschirm du n kel und Alf saß nachdenklich auf der Couch.
Christa nahm ihre ganze Kraft zusammen, um ihre Err e gung zu unterdrücken. Sie stand auf, trat vor und setzte sich neben Alf. „ Hast du dir den Kampf genau angesehen? “ fra g te sie.
Alf nickte.
„ Er hat verloren “ , sagte Christa. Sie schwiegen eine We i le.
Dann fragte sie: „ Willst du es nicht aufgeben? “
Alf blickte sie erstaunt an. „ Weshalb aufgeben? “
„ Hast du es nicht gemerkt? Das Tier war ihm überlegen. Du mußt es doch beobachtet haben: wie sich plötzlich sein Verhalten änderte, wie es den Schlägen auswich und selbst mit seinen Hieben traf. Hast du keine Angst, auch du kön n test ihm unterlegen sein? “
„ Ich habe alles genau beobachtet “ , antwortete Alf. „ Der Mann wurde müde. Gewiß, er war tüchtig, aber die Kondit i on
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