Gemma
belasten. Die Pflege des Captains nahm
sie voll und ganz in Anspruch, und er fragte sich, wie sie es auch noch
zusätzlich schaffen wollte, das Schiff zu führen.
»Glaubt Ihr sicher, dass Ihr das auch könnt, Miss Gemma?«, fragte
er zweifelnd mit Blick auf die Seekarten.
Gemma straffte die Schultern. »Ich denke, das werden wir
herausfinden, nicht wahr?«
Bryce erwachte langsam, zögernd. Ihm war, als würde er sich aus einem
tiefen Sumpf heraus an die Oberfläche wühlen. Er fühlte sich schwach, so
entsetzlich schwach, und jede Faser seines Körpers schien wehzutun.
Schwerfällig versuchte er, sich auf die Ellenbogen aufzustützen, sank aber
entkräftet auf die Koje zurück.
Was war nur geschehen? Undeutlich glaubte er,
sich an Dunkelheit zu erinnern, Sturm, eine riesige
Flutwelle. Unwillig runzelte er die Stirn. Da war das Krachen und Splittern
von Holz, Schmerz – und dann nichts mehr. Einige Male glaubte er, sich an
Gemmas sorgenvolles Gesicht zu erinnern, ihre Stimme und ihre kühle Hand auf
seiner heißen Haut, aber das konnte auch eine Täuschung sein. War sie bei ihm
gewesen? Sein Blick glitt durch die Kajüte, konnte aber keine Spur von ihr
entdecken. Wo steckte sie? Er versuchte, den Kopf zu heben, aber selbst diese
Anstrengung war zu viel für ihn. Wo war Tabby? War er denn von allen verlassen?
Seine Zunge klebte am Gaumen. Sein Blick fiel auf das gefüllte
Glas neben dem Bett. Irgendjemand, wahrscheinlich Tabby, hatte es für ihn
bereitgestellt. Bebend streckte Bryce den Arm danach aus. Seine Finger strichen
über das Glas, versuchten es zu greifen. Schweiß trat ihm aus den Poren. Er begann
zu zittern. Seiner zugreifenden Hand fehlte die Kraft, und er fasste ins Leere.
Das Glas zerplatzte klirrend am Boden.
Gemma hörte Lärm, als sie
den Gang entlangeilte.
Bryce!
Sie lief schneller und stieß die Tür zur Kajüte auf. Bryce hatte
sich auf einen Ellenbogen aufgerichtet, das Gesicht schmerzverzerrt. Sein
gequälter Blick fiel auf Gemma, als sie in den Raum stürmte.
»Bryce!«, rief sie erfreut. Er war wach! Er war endlich aufgewacht.
Gemmas Blick wanderte von Bryce auf das zerbrochene
Glas. Er musste umkommen vor Durst.
»Warte, Liebling, ich helfe dir.« Gemma
setzte sich neben ihn und bettete seinen Oberkörper sanft gegen ihre Brust.
Dann goss sie Wasser aus dem Krug in ein neues Glas und führte es an Bryce'
Lippen. Dieser ließ sie nicht aus den Augen, als er seinen Durst mit langen
Zügen löschte. Endlich schien er genug zu haben, und Gemma setzte das Glas ab.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie und strich zärtlich über Bryce'
Wangen. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, endlich wieder in Bryce' klare
graue Augen zu schauen. Zwar hatte er sie im Fieber einige Male angesehen, aber
sie war sich nicht sicher gewesen, ob er sie überhaupt erkannt hatte.
»Wo bist du gewesen?«, wollte er statt einer Antwort wissen.
Seine Stimme war heiser von der langen Dauer des Schweigens. Gemma lächelte ihn
an.
»Ich war einen Moment an Deck«, sagte sie leise und hauchte Bryce
einen Kuss auf die Stirn. »Oh, Bryce, es ist so schön, dass es dir besser
geht.«
»Ach, wirklich?«, hörte Bryce sich fragen. Wärme strömte durch
seinen Körper, wo Gemma ihn berührte, und ihre Brüste schienen brennende
Abdrücke an seinem Rücken zu hinterlassen.
»Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Liebster. Ich hatte
solche Angst, du würdest nie wieder aufwachen.«
»Wäre dir doch sehr gelegen gekommen, nicht
wahr?«, fragte Bryce rau. Er fühlte, wie Gemma erstarrte. Vor Empörung – oder
Schuldgefühl? Er wollte sie in die Arme schließen, sie an sein Herz drücken,
aber die Eifersucht, die er verspürte, war stärker. Warum war sie nicht in der
Kajüte gewesen, als er erwachte? Ihr Haar war zerzaust, und ihre Wangen
glühten. Hatte sie sich gerade mit einem Liebhaber getroffen? Hatte sie ihn so
schnell ersetzt, jetzt wo er nicht in der Lage war, ihre Leidenschaft zu befriedigen?
»Was willst du damit sagen?«, flüsterte sie tonlos. Sie glaubte,
in ein bodenloses Loch zu stürzen. Wie lange hatte sie den Augenblick
herbeigesehnt, dass Bryce endlich die Augen aufschlug? Wie konnte er ihr nur
unterstellen, sie hätte ihm den Tod gewünscht? Langsam ließ sie ihn auf die
Koje zurücksinken und stand auf. Ihr schmerzerfüllter Blick richtete sich auf
den Mann, der ihr mehr bedeutete als ihr Leben, und der ihr so wenig vertraute.
Wortlos drehte sie sich um und verließ die Kajüte. Bryce'
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