Gemma
acht Tage später, als
Bryce ursprünglich geplant hatte. Die Männer führten Freudentänze auf und am
Abend erklangen an Bord Gitarre und Harmonika. Bryce hatte jedem eine
Extraration Rum bewilligt, und das musste gefeiert werden.
Bryce stand an der Reling und beobachtete Gemma, die
gedankenverloren neben ihm stand. Bereits seit einigen Tagen hatte er das
Gefühl, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Machte sie sich Sorgen wegen ihrer
kurz bevorstehenden Ankunft? Wollte sie noch immer ihren Plan verfolgen und ein
unabhängiges Leben führen? Bryce fühlte, wie sich sein Herz bei dem Gedanken
zusammenzog, Gemma könnte ihn verlassen wollen.
Er war es gewesen, der ihr immer wieder gedroht hatte, ihre Ehe
annullieren zu lassen. Fürchtete sie, er könne nun, nachdem sie miteinander
intim geworden waren, dennoch eine Scheidung wollen? Seine Hände verkrampften
sich um das Holz der Reling, als er sich vorzustellen versuchte, ohne Gemma zu
leben. Er war sich nicht sicher, ob er das überhaupt noch konnte. Irgendwann
während der Reise hatte sie sich in sein Herz gestohlen, und er fürchtete den
Moment, an dem sie es herausfinden würde.
Gemmas Gedanken waren ähnlicher Natur. Was würde nun werden? In zwei
Tagen würden sie New Orleans erreichen. Bryce war zu Hause.
Würde er sich nach wie vor von ihr trennen wollen? Sie hoffte es
nicht, aber tief in ihrem Inneren nagte noch immer ein kleiner Rest Zweifel.
Während der letzten Wochen war Bryce der aufmerksamste Ehemann gewesen, den
eine Frau sich nur wünschen konnte, sowohl im Bett als auch außerhalb. Er
schien ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen, wobei sein liebster Wunsch
immer noch der war, sie im Bett nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen.
Gemma seufzte. Bryce war ein wunderbarer Liebhaber. Leider aber
auch ein äußerst fruchtbarer.
Sie war schwanger.
New Orleans
Kapitel 19
Das geschäftige Treiben an den Docks von New Orleans hielt Gemma
gefangen. Es unterschied sich so grundlegend von dem, was sie im Hafen von
London gesehen hatte, dass sie gar nicht wusste, wohin sie zuerst sehen sollte.
Überall wuselten Menschen durcheinander, Menschen unterschiedlichster Hautfarbe
von Weiß über Hellbraun bis hin zum tiefsten Schwarz.
Zwar hatte sie schon hin und wieder einen dunkelhäutigen Menschen
gesehen – auch Johnnie Carpenter war schwarz –, aber noch niemals so viele auf
einmal. Unwillig zogen sich ihre Brauen zusammen, als ihr bewusst wurde, dass
die Schwarzen anscheinend nicht wie Menschen behandelt wurden. Sie hatte über
Sklavenhaltung gelesen, aber ihr Wissen war, was das anging, doch sehr
begrenzt. Sie hoffte, dass Bryce keine Sklaven hielt.
Nachdem Bryce am Morgen an Deck gegangen war,
hatte Gemma es gerade noch geschafft, das Nachtgeschirr zu erreichen, bevor
ihr Magen rebellierte. Das war vor ungefähr einer Woche einer der ersten
Hinweise gewesen, dass sie ein Kind erwartete. Sie hatte zunächst Tabby nicht
beunruhigen wollen, als ihr morgens immer übel wurde und sie keine Erklärung
dafür hatte. Gottlob hatte die Übelkeit immer erst eingesetzt, nachdem Bryce
die Kajüte verlassen hatte. Als Zweites hatte sie dann bemerkt, dass ihre
monatliche Zeit nicht gekommen war, und da sie schon seit langem regelmäßig wie ein
Uhrwerk war, blieb nur eine Erklärung übrig: Sie trug ein Kind unter dem
Herzen.
Was würde Bryce dazu sagen? Würde er sich freuen, oder würde er
wütend sein? Sie hatten nicht über Kinder gesprochen. Irgendwie hatte sich das
Thema nie ergeben, solange sie beide nicht vorgehabt hatten, miteinander
verheiratet zu bleiben. Und später – später war zu viel anderes passiert, als
dass sie sich darum Gedanken gemacht hätte.
Bryce hatte ein Recht, es zu erfahren, immerhin war es auch sein
Kind, aber irgendetwas in ihr hielt Gemma davon ab, die Neuigkeit mit ihm zu
teilen.
Und nun stand sie an Deck des Schiffes, das
sie nach Amerika gebracht hatte, und betrachtete das faszinierende Treiben
eines fremden Hafens. Hatte ihr Vater auch diese Erregung, diese Vorfreude gespürt, wenn er in einen fernen Hafen
eingelaufen war? Ihr Herz füllte sich einen Moment mit Trauer, als sie an ihren Vater dachte, was
ihre Gedanken auch zu Jessup führte. Was würde seine Familie empfinden? Waren
sie zumindest finanziell abgesichert, sodass der Verlust des Ernährers sie
nicht an den Bettelstab brachte?
Gemmas Blick suchte Bryce, der mit dem
Hafenmeister verhandelte. Ihre Augen folgten ihm, wie er mit dem Hafenmeister
die Gangway
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