Gemma
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Würde es dir
etwas ausmachen, wenn ich erst nach Hause reite? Ich denke, Alice sollte
wissen, dass sie noch keine Witwe ist.«
Bryce schlug ihm auf den Rücken. »Ich habe nichts anderes
erwartet. Kommt doch beide heute Abend vorbei. Oder vielleicht doch besser
morgen«, meinte er dann mit einen anzüglichen Grinsen.
»Hah, du musst grad' reden«, antwortete Jessup mit gespieltem
Zorn. »Du hattest deine Frau bei dir und warst zudem auf dem schnelleren
Schiff. Also halt mir nur keine Vorträge.«
»Keine Sorge, werd ich nicht«, lachte Bryce. »Aber mach dich
trotzdem auf eine Überraschung gefasst, wenn du nach Hause kommst.«
Sie waren am Mietstall angekommen, und nachdem sie für Jessup ein
Pferd bekommen hatten, ritten sie aus der Stadt.
An der Abzweigung nach Belle Elysée trennten sich ihre Wege.
Jessup versprach, am nächsten Tag mit Alice vorbeizukommen.
»Bryce!«, rief Gemma überrascht, als er ins Haus
kam. Sie war eben damit beschäftigt gewesen, ein Blumenarrangement in einer
Vase aus Meissner Porzellan auf dem Sideboard in der Eingangshalle zu
platzieren, und hatte ihn noch nicht so früh zurückerwartet. Normalerweise,
wenn er sich früh morgens aufmachte, die Felder zu inspizieren, kam er erst
spät am Nachmittag nach Hause zurück.
Sie eilte zu ihm und warf sich in seine Arme. »Es ist schön, dass
du da bist«, meinte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
»Wenn ich wüsste, dass ich immer so empfangen
werde«, grinste Bryce, »dann würde ich durchaus öfter mal zwischendurch nach
Hause kommen.« Er atmete ihren süßen Duft ein.
»Leider war ich noch gar nicht auf den
Feldern, sondern in der Stadt«, meinte er dann bedauernd. »So schwer es mir
auch fällt, mich von dir loszureißen, mein Engel, aber Mark Bellows wartet
sicher schon ungeduldig auf mich.« Er küsste sie noch einmal und wandte sich
dann zum Gehen. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Wir werden morgen früh
übrigens Besuch bekommen.«
»Wen?«, wollte Gemma wissen. In Gedanken rief sie sich bereits die
vielen neuen Gesichter, die sie am Wochenende zuvor gesehen hatte, vor Augen.
Bryce grinste breit. »Das, mein Schatz, ist
eine Überraschung.« Bevor Gemma etwas sagen konnte, war Bryce aus der Tür.
Am Abend, als sie eng aneinander gekuschelt im Bett lagen, fragte
Gemma Bryce noch einmal, wen sie für den nächsten Tag erwarteten. Bryce'
geheimnisvolle Ankündigung hatte ihr den ganzen Tag keine Ruhe gelassen. Wieder
hüllte sich ihr Gemahl in Schweigen und lenkte sie dann geschickt von ihren
quälenden Fragen ab.
Gemma war im
Garten und schnitt ein paar Blumen, als Mammy aufgeregt auf sie zugelaufen kam
so schnell ihre Füße sie trugen.
»Jessus, Miss Gemma, kommt schnell, kommt schnell!«, rief sie
immer wieder lachend, während ihr die Tränen über die runden Wangen
hinabrannen.
»Schnell, Miss Gemma!«
Gemma ließ Blumen und Schere fallen, raffte ihre Röcke, damit sie
nicht stolperte, und stürzte Mammy entgegen.
»Um Gottes willen, Mammy, was ist denn
passiert?«, fragte sie entsetzt. Sie fasste Mammy bei den Schultern und
schüttelte sie. »Ist etwas mit Bryce?!« Ihr Herz schlug ihr plötzlich bis zum
Hals. Fürchterliche Bilder von Bryce' verkrümmtem, leblosem Körper
durchzuckten ihre Gedanken, aber Mammy umklammerte ihre Handgelenke und schüttelte
den Kopf.
»Nein, Miss Gemma, nein. Master Bryce geht es gut. Oh, diese
Freude, diese Freude. Kommt, Miss Gemma, kommt, seht selbst.« Aufgeregt zerrte
sie Gemma hinter sich her zum Haus, aber bevor sie es erreichten, blieb Gemma
wie angenagelt stehen. Ungläubig riss sie die Augen auf.
Oben auf der Veranda, direkt neben Bryce, stand Jessup und
strahlte sie an.
»Jessup«, wisperte Gemma und glaubte ihren Augen
nicht zu trauen. Er war es. In voller Lebensgröße und aus Fleisch und
Blut. Er lebte!
»Jessup!«, jubelte Gemma dann und rannte ihm mit Freudentränen in
den Augen entgegen. Er traf sie am Fuße der Treppe und schloss sie in seine
Arme, um sie hoch in die Luft zu heben und herumzuwirbeln.
»Oh, Jessup«, stammelte Gemma zwischen Lachen
und Weinen, als er sie endlich wieder auf die Füße gestellt hatte. Ihre Hände
strichen über seine Wangen, seine Stirn, sein Haar, als müsste sie sich erst
davon überzeugen, dass er es auch wirklich war. »Aber wie ist das möglich? Wie
...«
»Die Honeycut hat uns rausgefischt, Rawlins und mich.
Leider hatte der Sturm das Schiff so sehr beschädigt,
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