Gemma
Die
korpulente Negerin drehte sich um und stapfte zu ihm herüber.
»Master Bryce, Jessus, was treibt Euch in den Küchengarten?«
»Mammy, ich reite in die Stadt«, teilte er ihr anstelle einer
Antwort mit. Mammy runzelte die Stirn. Es war ungewöhnlich, dass Bryce spontan
in die Stadt ritt.
»Ich mache mir Sorgen um Gemma und werde Doktor Halbrook bitten,
sie sich einmal anzusehen.« Er wollte sich zum Gehen wenden, als Mammys Worte
ihn stoppten.
»Jessus, Master Bryce. Was soll denn der gute Doktor da machen?
Warten Sie noch einige Wochen, dann werden Sie die junge Missis nicht
wiedererkennen.« Mammy kicherte. »'s ganz normal, dass sie sich in den ersten
Wochen nicht ganz wohl fühlt, Master Bryce.«
Bryce funkelte sie bedrohlich an. »Was willst du damit sagen,
Mammy?«, fragte er leise, aber Mammy strahlte unbeeindruckt über das ganze
schwarze Gesicht.
»Ich will sagen, dass die Missis ein Baby erwartet, Master Bryce.
Ihr werdet Vater.«
Bryce sah aus wie vom Donner gerührt. Einen Moment starrte er
Mammy sprachlos an, bevor er ins Haus stürmte.
Bryce fand Gemma auf der Schaukel hinten im Garten, die er für sie
im Schatten einer riesigen alten Eiche hatte anbringen lassen und auf die sie
sich gerne zurückzog. Ihre Augen leuchteten auf, als sie Bryce erblickte, aber
als ihr Blick auf sein Gesicht fiel, das so finster wie eine Gewitterwolke war,
verblasste ihr Lächeln.
»Bryce, was ist los?«, fragte sie ängstlich
und erhob sich. Es musste etwas Schreckliches geschehen sein, um Bryce so bedrohlich
aussehen zu lassen.
Er stoppte kurz vor ihr und funkelte sie wütend an. Unbewusst
wich Gemma einen Schritt zurück.
»Bryce?«, fragte sie leise, als er sie nur wortlos anstarrte.
»Wie lange?«, fragte er mit mühsam unterdrücktem Zorn. Sein Blick
glitt hinab auf ihren Bauch, und Gemma wich noch einen Schritt zurück. Sie
stieß gegen die Schaukel und ihre Finger schlossen sich um das Seil, bis ihre
Knöchel weiß hervortraten. Oh Gott, dachte Gemma und richtete ihre Augen
auf ihre Fußspitzen, ich hätte es ihm sagen müssen. Warum nur habe ich es
ihm immer noch nicht gesagt?
Die schuldbewusste Miene seiner Frau ließ Bryce innerlich
erstarren. Sie hatte es also gewusst. Bis zuletzt hatte er die Hoffnung
genährt, dass Gemma es vielleicht selbst noch nicht einmal bemerkt hatte, aber
anscheinend hatte seine Frau ihren Zustand ganz bewusst vor ihm verborgen
gehalten. Warum?
Bryce fiel nur eine mögliche Erklärung ein.
»Wer ist der Vater?«, fragte er gefährlich leise.
»Ranleigh?« Gemmas Kopf zuckte hoch. Entsetzt starrte sie ihn an. Verdammt!, dachte Bryce. Lag er so nah dran an der Wahrheit?
»Wie kannst du das nur denken?«, wisperte Gemma tonlos. Ihre
blauen Augen füllten sich mit Tränen. Bryce fühlte, wie sein Herz sich
verhärtete. Jetzt versuchte sie es also doch mit Tränen.
»Ist es Ranleigh?«, fragte er noch einmal. »Oder kennst du noch
nicht einmal seinen Namen?«
Gemma schüttelte
nur wortlos den Kopf. Ihre Augen flehten ihn an, die Wahrheit zu erkennen,
aber Bryce sah nur, was er sehen wollte.
Er war
bereit gewesen, Gemma sein Herz vor die Füße zu legen, und die ganze Zeit
wusste sie bereits, dass sie schwanger war mit dem Kind eines anderen.
Wann war es passiert? Auf Kenmore? Bryce bezweifelte das, und für
einen Augenblick spürte er einen Strom der Erleichterung, dass nicht Godfroy
Ranleigh der Vater ihres Kindes war, denn dann hätten bereits körperliche
Anzeichen für die Schwangerschaft sichtbar sein müssen. Und sie war noch immer
so schlank, vielleicht schlanker, als an dem Tag, als er zum ersten Mal mit ihr
geschlafen hatte.
Es konnte auch niemand von seiner Mannschaft gewesen sein. Selbst
als er im Delirium in seiner Koje gelegen hatte, so hätte ihn Tabby davon
unterrichtet, sollte Gemma eine Liebschaft mit einem Mitglied der Crew
angefangen haben.
Blieb nur ihre Zeit in London. Sie war in kläglicher Verfassung
gewesen, als sie an Bord der Dragonfly gekommen war. Das war immerhin
einer der Gründe gewesen, warum Jessup sich hatte erweichen lassen. War sie
gezwungen gewesen, ihren Körper einzutauschen, um zu überleben? Bryce ballte
die Hände an den Seiten, als er daran dachte, wie irgendein schleimiger,
grobschlächtiger Matrose Gemma auf den schlanken Rücken warf und seine Lust an
ihr stillte. Es war beinahe mehr, als er ertragen konnte, aber er war sich
sicher, dass er ihr verziehen hätte. Alles, was sie hätte tun müssen, war, ihm
davon zu
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