Gemma
Jeder
andere an Bord hätte es abgeschnitten, mich eingeschlossen. Angesichts einer
solchen Wunde hätte ich auch keinen anderen Ausweg gesehen.« Er hob ihr Kinn
an, damit sie ihm in die Augen sah. »Es waren dein Mut und deine Entschlossenheit,
mein Engel, die mir ein Leben mit einem Holzbein erspart haben. Du kannst
stolz auf dich sein.« Er drückte ihr einen Kuss auf die seidigen Lippen. »Ich
jedenfalls bin es«, setzte er mit tiefer, samtweicher Stimme hinzu.
Gemmas Herz schlug schneller, bis sie glaubte, es müsse ihr vor
Freude in der Brust zerspringen.
Den Nachmittag verbrachten sie in Alice' und
Jessups angenehmer Gesellschaft. Alice konnte Bryce' Weihnachtsgeschenk an
Gemma gar nicht genug bewundern, und auch Gemma liebte die wunderbaren
Ohrringe, passend zu ihrer Saphirhalskette.
Dennoch waren beide Frauen sich einig, dass es kein schöneres
Weihnachtsgeschenk für sie beide gab als Jessups glückliche Heimkehr.
Kapitel 24
Gemmas Appetit, seit ihrer Schwangerschaft sowieso nicht der beste,
schwand zusehends. Ihre morgendliche Übelkeit war zurückgekehrt und hielt
manchmal sogar bis spät in den Vormittag hinein an. Gemma tat ihr Möglichstes,
diesen Umstand vor Bryce und Mammy geheim zu halten. Immer wieder schob sie
ihre Unpässlichkeit auf die Klimaveränderung, aber die Folgen waren bald
unübersehbar. Ihr schmales Gesicht wurde spitz und blass und unter ihren
blauen Augen lagen immer häufiger dunkle Schatten.
Mammy umsorgte sie rührend, und Bryce tat, was er konnte, um sie
aufzuheitern. Doch auch Gemmas Lachen wurde seltener. Hin und wieder schenkte
sie Bryce ein Lächeln, aber es war nicht genug, um seine Sorge um sie zu
zerstreuen. Ihr Körper, schon immer schlank, wirkte beinahe zerbrechlich, sodass
Bryce mehr als einmal fürchtete, ihr wehzutun, wenn er des Nachts ihre
Leidenschaft teilte. Einzig ihre Brüste schienen voller zu werden. Die empfindsamen
Spitzen reagierten auf die geringste Liebkosung und ihre zartrosa Farbe war einem
sanften Rotbraun gewichen, was Bryce sehr gut gefiel.
Es war Anfang Februar, als Bryce seine Sorge
um Gemma nicht länger verleugnen konnte und beschloss, einen Arzt zu Rate zu
ziehen. Wer wusste schon, ob es nicht doch eine Krankheit war, die seine Frau
langsam, aber sicher von innen her auffraß. Bald würde er wieder mit der Dragonfly in See stechen, und der Gedanke, Gemma krank zurückzulassen, war ihm
unerträglich. Noch hatte er Gemma nichts von seiner bevorstehenden Abreise
gesagt. Die Dragonfly war überholt und fertig zum Beladen. In weniger
als einem Monat würden sie erneut die Segel setzen gen England, dann weiter zum
Kontinent, bevor sie nach New Orleans zurückkehren würden. Auch wenn er gern in
Belle Elysée verweilte, so hatte er doch bisher jeder neuen Reise voller
Erwartung entgegengesehen. Nun allerdings konnte er Jessup verstehen, dem der
Abschied ein ums andere Mal schwerer gefallen war. Würde Jessup ihn auch dieses
Mal auf seiner Reise begleiten? Oder würde er es vorziehen, bis zur Geburt
seines Kindes bei seiner Familie zu bleiben? Bryce könnte es ihm nicht
verdenken.
Für einen kurzen Moment durchzuckte Bryce der
Gedanke, wie es wohl wäre, wenn ihm Gemma Kinder schenken würde. Würde er es
über sich bringen, sie während der Schwangerschaft allein zu lassen? Die
Vorstellung, Gemma könnte ein Kind in den Armen wiegen, ließ ihn innehalten. Er
hatte sich nie Gedanken darüber gemacht. Natürlich wollte er Kinder, dessen war
er sich immer sicher gewesen, aber seit seiner Heirat mit Gemma hatte er diese
Möglichkeit noch nicht in Betracht gezogen. Wie stand Gemma dazu? Würde sie ein
Kind von ihm wollen?
Bryce grinste, als er daran dachte, dass das, was sie beide jede
Nacht trieben, unweigerlich zu einem reichen Kindersegen führen musste. Seine
Heiterkeit verflog allerdings sofort, als er sich Gemmas zierliche Gestalt vor
Augen führte. Würde sie ein Kind überhaupt austragen können? Der Gedanke, sie
bei einer schwierigen Geburt zu verlieren, war fürchterlich.
Entschlossen schob Bryce derart düstere Vorahnungen von sich.
Gemmas Zustand war schon Besorgnis erregend genug, als dass er sich noch
zusätzliche Schreckensszenarien ausmalen musste.
Mit langen Schritten verließ Bryce die Bibliothek und machte sich
auf die Suche nach Mammy. Er fand sie im Kräutergarten hinter der Küche, wo
sie ein junges Mädchen in die richtige Pflege der einzelnen Kräuter einwies.
»Mammy!«, rief er ihr über den niedrigen Zaun hinweg zu.
Weitere Kostenlose Bücher