Gemma
an
jedem Tag, dass irgendetwas Unvorhergesehenes geschehen konnte, das ihr soeben
wiedergefundenes Glück erneut zerstören würde.
Nachts lag sie in den Armen ihres Mannes, erschöpft und glücklich,
und lauschte auf seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge. Was würde sie tun, wenn
ihm etwas zustieß? Würde sie ohne ihn überhaupt leben können? So schwer ihr der
Gedanke daran auch fiel, Gemma wusste, dass sie es konnte, dass sie es musste,
um ihrer Kinder – Bryce' Kinder – willen.
»Was ist los, Liebling?«, fragte Bryce leise, und Gemma zuckte
leicht zusammen. Wieder einmal hatte sie nicht bemerkt, dass er ebenfalls wach
war.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Gemma ebenso leise. »Ich weiß es
wirklich nicht.«
Beruhigend streichelte Bryce über ihren Arm. »Ich bin ein guter Zuhörer.«
Gemma lachte. »Du bist nicht nur ein guter Zuhörer, du hast auch
durchaus noch andere Qualitäten.« Sie schwieg einen Moment, überlegte, wie sie
ihre Gefühle in Worte fassen konnte.
»Ich
habe Angst, Bryce.«
»Angst?« Überrascht richtete sich Bryce auf einen Ellenbogen auf.
»Wovor hast du Angst?«
»Das ist ja gerade das Verrückte. Ich weiß es nicht. Es gibt
keinen Grund, keine Erklärung. Ich sollte im Moment so glücklich sein, wie eine Frau es nur sein kann.« Sie hauchte Bryce
einen Kuss auf die Brust. »Und das bin ich auch. Aber irgendetwas, etwas, das
ich nicht erklären kann, macht mir Angst. Es ist, als würde eine Bedrohung wie
eine finstere Wolke über uns schweben, ohne dass wir sie sehen könnten.« Sie
lachte entschuldigend. »Ich weiß, das klingt verrückt.«
Anstatt zu antworten, zog Bryce Gemma an sich und schloss seine
Arme beschützend um seine Frau.
Auch wenn
Gemma schon nicht mehr daran dachte, nahm Bryce ihre Besorgnis doch ernst.
Vielleicht gab es keinen Grund, aber trotzdem wies er alle auf der Plantage an,
die Augen offen zu halten, ob irgendetwas Ungewöhnliches geschah. Immer
wieder gingen ihm Mammys Worte im Kopf herum, dass Gemma bereits Stunden, bevor
er Belle Elysée erreicht hatte, wusste, dass er kommen würde. Und hatte Gemma
selbst ihm nicht selbst lachend vorgeworfen, dass er nicht offen wäre für die
Möglichkeiten des Universums?
Wahrscheinlich waren Gemmas Ängste unbegründet, aber Bryce wollte
kein Risiko eingehen.
Kapitel 30
Mit Ruperts
Hilfe stellte Gemma das Körbchen, in dem ihre Kinder schliefen, in die Kutsche.
Bryce war am Morgen nach New Orleans geritten und da hatte sie sich
entschlossen, Alice zu besuchen. Sie hatten sich seit fast einer Woche nicht
gesehen, und Gemma brannte darauf, ihrer Freundin zu erzählen, dass sie und
Bryce sich wieder versöhnt hatten.
»Fertig, Miss Gemma?«, fragte Rupert. Als sie nickte, half er ihr
in die Kutsche und schwang sich auf den Bock. Er ließ die Peitsche knallen, und
die beiden Braunen setzten sich in Bewegung.
Es war das erste Mal seit der Geburt der Zwillinge, dass Gemma das
Haus verließ, abgesehen von ihren ausgedehnten Spaziergängen auf dem Gelände
von Belle Elysée, und sie freute sich auf die Abwechslung. Am Nachmittag würde
sie wieder zurück sein.
Mit schnellen Schritten, immer drei Stufen auf einmal nehmend,
stürmte Bryce die Treppe hinauf. Er hatte eigentlich erwartet, Gemma bei diesen
Temperaturen im Garten anzutreffen, im Schatten der alten Eichen, aber dort
war sie nicht gewesen. Vielleicht hatte sie sich ein wenig hingelegt, während
die Kinder schliefen.
Leise, um sie nicht zu stören, schob Bryce die Schlafzimmertür
auf, aber ein kurzer Blick zum Bett zeigte ihm, dass das Zimmer verwaist war.
Bryce runzelte die Stirn und trat zurück auf den Gang. Er fand Mammy in der
Küche. »Mammy, wo ist Gemma?«, wollte er wissen.
»Oh, Master Bryce, Miss Gemma ist zu Miss Alice und Master Jessup
gefahren.« Sie hielt inne. »Aber sie wollte schon längst wieder zurück sein.«
Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, wandte Bryce sich um und
stürzte hinaus.
Dancing Daredevil war
schaumbedeckt, als Bryce ihn vor Jessups Haus scharf zügelte. Bryce wartete
kaum ab, bis das Pferd zum Stehen gekommen war, als er sich bereits aus dem
Sattel schwang. Die Kutsche war nirgends zu sehen, aber es bestand die
Möglichkeit, dass Rupert sie hinter das Haus gefahren hatte. Ungeduldig
hämmerte Bryce gegen die Tür, bevor er die Klinke herunterdrückte und eintrat.
Schnell eilte er in die Küche und, als er dort niemanden antraf, in den Garten.
Alice und Jessup saßen mit dem kleinen Joshua
unter einem
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