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Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
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schützen, stopfte Gemma ein Seidentüchlein ins Kleid, das ihre
Brüste züchtig verhüllte. So gewappnet ging sie hinunter.
    Sie traf Ethel am Fuß der langen Freitreppe. Missbilligend sah
Ethel sie an und spitzte unmutig die Lippen.
    »Was ist denn mit deinem Kleid passiert?«, wollte sie wissen.
Gemma spürte, wie sich ihre Wangen röteten, als ihre Augen dem Blick ihrer
Tante zu ihrem Dekolleté folgten. Sie räusperte sich.
    »Anscheinend sind meine Kleider zu eng geworden ... Erschrocken
schnappte Gemma nach Luft, als Ethels Finger das Seidentuch ergriffen und es
schwungvoll aus dem Kleid herauszupften.
    »Aber Tante Ethel ...«, stammelte sie
entsetzt, aber Ethel winkte mit einem zufriedenen Zug um den Mund ab. »So,
schon viel besser«, meinte sie und rauschte Gemma voraus in den Speisesaal.
Gemma folgte ihr langsamer. Mit hoch erhobenem Kopf, wenn auch glühenden
Wangen, trat sie durch die Tür.
    Godfroy hatte am Kamin gelehnt, kam aber
sofort auf sie zu, als er sie erblickte. Er machte keinen Hehl daraus, als sein
Blick von ihrem Gesicht etwa dreißig Zentimeter tiefer glitt und dort hängen
blieb. Seine feingeschnittenen Lippen verzogen sich zu einem genüsslichen
Lächeln, und Gemma wünschte sich sehnlichst, wenigstens einen Schal zu haben,
ein Tuch, irgendetwas, um ihren Körper vor seinen Augen zu verbergen.
    »Gemma, meine Liebe, Ihr seht einfach hinreißend aus.« Wieder
berührten seine Lippen ihre Hand, und Gemma bemühte sich, ein Schaudern zu
unterdrücken. Zwar hörte sie gerne ein aufrichtiges Kompliment, aber angesichts
der Tatsache, dass Godfroy mit seinen Stielaugen beinahe ihren Busen
streifte, als er sich über ihre Hand beugte, klangen seine Komplimente ebenso
unecht wie seine ganze zur Schau getragene Wärme ihr und ihren Verwandten
gegenüber.
    Gemma war äußerst erleichtert, als niemand
darauf bestand, vor dem Essen noch Konversation zu betreiben, sondern man
sich sofort zu Tisch begab. Je eher sie mit dem Essen begannen, desto eher
hatte sie diesen unerfreulichen Abend hinter sich.
    Weder Sir Ranleigh noch ihre Tante schienen
ihre bedrückte Stimmung zu bemerken. Lediglich Onkel Cedric warf ihr hin und
wieder einen mitfühlenden Blick zu, und Gemma war überrascht, dass sie so etwas
wie Zuneigung für ihren Onkel empfand. Bisher hatte sie ihn nur als ein Anhängsel
ihrer Tante empfunden, aber durch dieses stillschweigende Verständnis, das
zwischen ihnen herrschte, fühlte sie sich ihm näher als jemals zuvor.
    Gemma beteiligte sich so gut wie gar nicht am
Tischgespräch, was allerdings auch nicht weiter auffiel, weil Tante Ethel die
Unterhaltung ganz allein bestritt. Auch Sir Godfroy sprach nur wenig und schien
außerdem keinen besonderen Appetit zu verspüren. Zumindest nicht auf die
reichhaltigen Speisen, unter deren Last sich der Tisch beinahe bog. Stattdessen
hielt er seinen Blick die ganze Zeit über lächelnd auf Gemmas Busen gerichtet.
Nur mit Mühe widerstand Gemma der Versuchung, ihren Oberkörper mit den Händen
zu bedecken, um ihn vor den gierigen Augen dieses Mannes zu schützen. Einige
Male sah sie unvermittelt auf, in der Hoffnung, Godfroy würde sich ertappt
fühlen und beschämt den Blick abwenden, aber er tat nichts dergleichen. Eher
schien es, als würde sein lüsternes Grinsen noch breiter werden, als er ihr
Unbehagen bemerkte.
    Endlich, als Gemma es kaum noch zu hoffen wagte, war das
Abendessen beendet. Doch anstatt sich auf ihr Zimmer zurückziehen zu können,
bestand Godfroy darauf, dass sie ihm ins Musikzimmer folgten, wo er zum
Ausklang des Abends einige Stücke auf dem Piano spielte und dazu sang.
    Selbst Gemma musste zugeben, dass Godfroy eine ausgezeichnete
Singstimme hatte, tief und volltönend, und dass sein Spiel tadellos war.
Dennoch war sie froh, als der Abend endlich ein Ende hatte und sie zurück in
ihr Zimmer flüchten konnte.
    Bridget hatte ihr wieder ein Kännchen Schokolade auf das
Nachttischchen gestellt, und Gemma trank das bitter-süße Getränk, während sie
sich für die Nacht auskleidete, wusch und ihr Nachthemd anzog. Danach stand sie
noch einen Moment am Fenster und starrte zum Mond hinauf, der wie eine bleiche
Scheibe hinter den Wolken hervorlugte und sie in seinem weißen Licht badete.
Wie gerne wäre sie in den Stall hinabgegangen, um mit Brad zu sprechen, seine
Meinung zu hören, und zu fragen, ob er gehört hatte, warum sie hier waren.
Aber sie konnte ja schlecht mitten in der Nacht durch ein fremdes Haus in die
Stallungen

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