Gemma
schloss
die Augen. Was zum Teufel war mit ihr passiert? War Bryce über ihre Anwesenheit
so wütend gewesen, dass er sie geschlagen hatte? Warum konnte sie sich nur nicht
erinnern?
Nein, entschied sie, was auch immer passiert war, Bryce hatte ihr
kein Leid zugefügt. Wäre das seine Absicht gewesen, würde sie jetzt wohl kaum
in seinem Bett aufwachen, sondern im Loch unten im Vorschiff, oder?
Was Bryce betraf, war sie sich absolut nicht sicher, was sie von
ihm halten sollte. Sie kannte ihn überhaupt nicht. Der Mann war ein Fremder für
sie, auch wenn sie bereits – sie rechnete es schnell mit den Fingern nach –
sieben Wochen mit ihm verheiratet war. Gemma zwang sich, sich zu entspannen.
Was auch immer passieren würde, sie war nicht in der Verfassung, irgendetwas
dagegen zu tun.
Sie hatte gerade die Augen geschlossen, als der erste Schrei die
Stille zerriss. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie bereits seit einigen
Minuten, ein Geräusch gehört hatte, das sie nicht hatte einordnen können. Ein
Zischen und Klatschen, leise, aber deutlich hörbar. Dies war das erste Mal,
dass das Klatschen von einem Schrei begleitet wurde. Weitere folgten. Gemma
spitzte ihre Ohren, um die Quelle des Geräusches zu identifizieren, aber es
gelang ihr nicht.
Nach einer scheinbar endlosen Zeitspanne verstummten das Geräusch
und die Schreie, und Gemma hörte Schritte näher
kommen. Die Tür wurde aufgestoßen, und Gemma hielt den Atem an, als
Bryce eintrat. Ihr Magen schlug einen Purzelbaum. Es passierte jedes Mal, wenn
sie ihn sah, aber sie wusste einfach nicht, warum. Ihr Herz begann schneller zu
schlagen, und ihre Hände begannen zu schwitzen. Sie wollte ihre Augen nicht von
seinem Gesicht abwenden. Zunächst hatte sie gedacht, es sei Furcht, aber ihre
Empfindungen waren so ganz anders.
Tabby schloss die Tür hinter ihnen.
»Hättet Ihr gern ein frisches Hemd, Capt'n?«, fragte der kleinere
Mann.
»Ja, bitte.« Bryce' Stimme klang gedämpft, weil er sich bereits
sein Hemd über den Kopf zog. Gemma hatte Schwierigkeiten, ihren Blick auf
irgendetwas zu fokussieren, aber sie glaubte, kleine rote Spritzer auf dem
weißen Material zu erkennen. Tabby nahm Bryce das Hemd aus der Hand und warf
es neben der Tür auf den Boden.
Gemmas Augen glitten über den Körper ihres Mannes. Seine Muskeln zuckten und spielten unter der glatten
Haut, als er das Hemd auszog. An seinem Körper war kein Gramm Fett. Seine Haut
war von der Sonne dunkel gebräunt, obwohl er auf Deck meistens ein Hemd trug.
Seine Brust war von einem feinen Pelz dunkler Haare bedeckt. Eine schmale Spur
Haare zog sich über seinen flachen Magen hinab und verschwand im Bund seiner
Hose. Gemma sah seinen Bizeps arbeiten, als Bryce nach dem Wasserkrug griff
und ein wenig Wasser in die Schüssel goss. Mit wütenden Bewegungen wusch er
Gesicht, Oberkörper und Arme. Tabby reichte ihm ein Handtuch.
»Ihr tatet nur, was getan werden musste,
Capt'n«, versicherte Tabby ihm mit leiser Stimme. Gemmas Neugierde war
geweckt.
Bryce schnaubte. »Was ich getan habe, war einen Mann dafür zu
bestrafen, dass er heiß war auf eine Schlampe, die ihn an der Nase herumgeführt
hat. Der einzige Grund, warum er Prügel bezogen hat, war, dass diese Schlampe
zufällig meine Frau ist.« Noch während er die Worte aussprach, wusste er, dass
es nicht stimmte. Er hatte bereits über Rawlins' Strafe entschieden, noch bevor
er gewusst hatte, dass Gemma das Opfer war. Außerdem hatte Rawlins nicht
gewusst, dass der Schiffsjunge ein Mädchen war, bis er versucht hatte, sich an
einem Kind zu vergehen. Aber aus welchen Gründen auch immer – Bryce war wütend.
Gemma schloss vor Scham die Augen. Sie konnte sich nicht an viel
erinnern, aber sie wusste, dass sie sich gegen einen Mann zur Wehr gesetzt
hatte. Aber wann das geschehen war – sie wusste es nicht mehr.
Als würde er ahnen, dass sie wach war, kam Bryce zu ihr hinüber.
Gemma konnte seinen Blick auf sich fühlen. Sie wollte ihm sagen, wie Leid es
ihr tat, aber sein Gesichtsausdruck hielt sie zurück. Der Klumpen in ihrer
Kehle machte es ihr beinahe unmöglich zu atmen.
»Bist du zufrieden?«, fragte Bryce mit kalter Verachtung. »Ich
wollte nicht, dass das geschieht«, wisperte Gemma unglücklich.
»Oh, du wolltest also nicht, dass das geschieht?«, imitierte er
sie spöttisch. »Dann erklär mit doch bitte, was du wolltest. Hast du gehofft,
einer der Männer würde dich als seine Mätresse wählen?« Er sah den Horror ihn
ihren Augen
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