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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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studierte, fuhr er fort. »Wie du siehst, gab es keinerlei Anzeichen auf Fremdverschulden. Ich hatte sie nicht selbst auf dem Tisch. Aber das Gutachten des Kollegen ist vorbildlich. Sie hat sich an einem Haken in ihrer Zimmerdecke erhängt, der dort für eine Hängematte angebracht worden war.«
    Miriam stellte sich das Bild vor und schauderte. »Das muss schrecklich gewesen sein.«
    »Ich würde zustimmen, wenn das nicht schon wieder wie eine Entschuldigung für den jungen Mann klänge.«
    »Tu nicht so. Du warst doch selber ganz begeistert von ihm.«
    »Ich bin es noch, meine Liebe, ich bin es noch.« Er hob die Hände, als sie ihn empört ansah. »Allerdings auf einer anderen Ebene als du.« Da sich ihre Miene noch immer nicht aufhellte, fügte er hinzu: »Männer haben es da einfacher miteinander.« Er neigte sich vor und tätschelte ihre Hand.
    »Na, vielen Dank«, war alles, was sie sagte. Aber sie umschloss seine trockenen Finger und drückte sie.
    Nach einer kurzen Pause bohrte sie nochmals nach. »Gab es damals irgendeinen Hinweis darauf, warum sie das gemacht hatte? Einen Brief, einen Anhaltspunkt, irgendwas?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es gab keinen Abschiedsbrief, nein. Die Familie und der Freund waren ratlos. Es ist halt oft nicht leicht, in den Kopf eines pubertierenden jungen Mädchens hineinzusehen. Und manchmal …«, er strich ihr über das kurze, schwarze Haar und schaute sie an. »Manchmal gibt es einfach keinen Grund. Jedenfalls keinen, den ein Außenstehender nachvollziehen kann. Sicher, man denkt immer, für so etwas Großes und Unwiderrufliches wie den Tod, da muss es auch ein großes Motiv geben, einen angemessenen Grund, etwas Unüberwindbares. Etwas, bei dem man sagt: Ach so, na klar, da hätte ich vielleicht auch … Aber das ist nicht so, glaub mir. Ich habe schon so viele Abschiedsbriefe gelesen. Oft ist das, was sie antreibt, nur klein, flüchtig, unvernünftig und spontan. Oder gar nicht zu begreifen.« Er machte eine Pause. »Das ist ganz ähnlich wie mit der Liebe.«
    Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
    Er lächelte sie an.
    »Eigentlich«, sagte sie, »war es nur die Art, wie er da plötzlich in meinem Laden stand. Er hatte so etwas wunderbar Jungenhaftes und Offenes. Weißt du, in meinem Alter sind die Männer langsam dünn gesät, die nicht schon völlig verspießert oder verschroben sind.« Sie schniefte. »Und die so eine Figur haben und solche Augen.«
    Er nickte verständnisvoll.
    Sie schlug scherzhaft nach ihm. Dann machte sie eine wegwerfende Geste. »Oh, ich wusste gleich, dass ich mich für ihn zum Narren machen und ihn deshalb hassen würde.«
    »Bis jetzt hast du nichts von all dem getan. Einen Schluck Cognac?« Ihr Onkel hob einladend ein leeres Glas. »Manche Dinge lassen sich nicht bei einem Kräutertee vergessen.«
    Miriam nickte und tastete nach einem Taschentuch in ihrer Handtasche, während sie pflichtbewusst die letzten Zeilen der Akte Hannah Anders las. Zumindest so viel war sie Viktor schuldig. Sie hielt inne, als ihr Onkel ihr den Cognacschwenker reichte. Gleich der erste Schluck ließ sie husten. Dann hielt sie inne. »Sie hatte einen Freund?«, fragte sie.
    Als Viktor wieder zu Bewusstsein kam, hörte er eine fremde Stimme. »Es muss ein Neuroleptikum gewesen sein, würde ich sagen. Fehlt etwas von Tobias’ Medikamenten?«
    »Wir haben das neben seinem Bett gefunden.« Das war Tante Hedwig. »Ich glaube, es gehörte meiner Schwägerin.«
    Der Arzt studierte die Packung. »Der Schachtel nach ein Schlafmittel.« Er zog die Aluminiumbriefchen mit den Pillen heraus und pfiff. »Von wegen. Wer hat ihrer Schwester denn das verschrieben?«
    »Schwägerin«, korrigierte Hedwig ihn und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    »Na, dann wundert mich gar nichts mehr. Er wird noch eine Weile Krämpfe haben und beim Aufwachen vermutlich verwirrt sein. Kann sein, dass er zwischendurch noch mal Halluzinationen bekommt. Tremor, Augenzittern, alles normal. Es wird im Lauf des Tages nachlassen.«
    »Hat es schon«, ächzte Viktor und richtete sich auf.
    Der Arzt gab ihm die Hand, stellte sich vor und horchte ihn noch einmal gründlich ab. »Das Herz rast«, stellte er fest.
    »Heute ist eine Beerdigung.« Wolfgang Anders runzelte die Stirn.
    »Nicht seine, falls Sie das freut.«
    »Er muss eine Rede halten.«
    »Das wird nichts werden«, meinte der Mediziner.
    »Und ob«, widersprach Viktor. »Bindet jetzt mal wer meine Füße los?«
    »Ach,

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