Gemuender Blut
die blitzenden Augen sprachen eine andere Sprache.
Ich schwieg und zog eine Augenbraue hoch.
»Wenn Sie mir ermittlungsrelevante Tatsachen unterschlagen, Frau Kollegin …«, bauschte er sich auf.
»Sie war minderjährig.« Immerhin waren wir wieder bei »Frau Kollegin« angelangt. »Wegen des drohenden Skandals ist er mit seiner Familie weggezogen damals.«
»Und die Frau ist ein paar Jahre später wieder in Gemünd aufgetaucht.«
Ich nickte. »Mit dem Jungen, den Prutschik aber später wieder auf seine Seite gezogen hat.«
»Wann war das?«
»Das muss so 92, 93 gewesen sein. Genau kann ich es noch nicht sagen.«
»Ist diese, diese …?«
»Maria Henk.«
»Diese Maria Henk jemals wieder in Erscheinung getreten hier?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist ebenfalls verschwunden. Ihr Ruf war nicht der beste.«
»Ich denke, wir können die Geliebte aus der Vergangenheit zunächst einmal vernachlässigen. Es gibt genügend Motive in der Gegenwart. Er hatte nicht viele Freunde, unser Herr Professor.«
Das war auch mein Eindruck, aber ich wollte ihn kommen lassen. »Sie sind hier der leitende Kommissar, Herr Sauerbier.«
»Das sollten Sie auch tunlichst nicht vergessen, Frau Weinz!« Er stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Sie werden mir alles berichten, was Sie herausfinden. Sie werden sich nicht als Kommissarin im Dienst ausgeben, denn das sind Sie nicht. Keine Anwendung von Polizeirechten. Sobald Sie Ihre Kompetenzen überschreiten, ist Schluss!« Er stützte sich mit beiden Händen auf das Fensterbrett. Noch immer blickte er mich nicht an. »Ist das klar? Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt, Frau Weinz?«
Ich erhob mich ebenfalls und schulterte meine Handtasche.
»Klar. Und deutlich.« Ich ging zur Tür, öffnete sie und machte einen Schritt in den Flur. Dann wandte ich mich um und sah, dass er seinen Platz am Fenster aufgegeben hatte und wieder an seinem Schreibtisch stand.
»Danke.« Ich nickte ihm zu.
»Bitte.« Täuschte ich mich, oder hatte ich gerade ein Grinsen über sein Gesicht huschen sehen?
***
Es tat weh. Es tat so verdammt weh. Wäre sie nicht so angestrengt darum bemüht gewesen, ihr Schreien zu unterdrücken, hätte sie sich vielleicht gewundert. Bisher hatte sie nie Schmerzen dabei gespürt. Bisher hatte sie nie irgendetwas gespürt. Bisher waren es aber auch immer Jungen gewesen, fast Kinder noch, wie sie selbst. Schamhaft. Scheu. Mit Angst im Blick und dem Erschrecken vor der eigenen Gier.
Der Mann über ihr stöhnte und bewegte sich ächzend in ihr. Er schwitzte, und kleine Schweißperlen tropfen von seiner Stirn auf ihre Brust, auf den Bauch und liefen an ihrem Hals hinunter. Sie öffnete die Augen und beobachtete ihn, während er sich auf ihr abmühte. Unter ihrem Hintern fühlte sie die rauen Bohlen der Holzbank, auf die er sie gedrückt hatte, bevor er seine Hose geöffnet und sich über sie geschoben hatte.
An einen anderen Ort konnten sie nicht gehen. Der Park war öffentlich. Einsehbar. Aber um diese Zeit ausgestorben. Niemand durfte wissen, dass sie zusammen waren, wie sie zusammen waren, was er mit ihr machte, wenn sie zusammen waren.
Er war viel älter als sie. Sie spreizte die Beine und hob sich ihm entgegen. Um ihn anzutreiben. Um ihn schneller ans Ziel zu bringen. Um dem Schmerz zu entrinnen, der nicht ihr Schmerz war. Er stöhnte wieder. Sein Rhythmus wurde schneller, sein Atem heftiger. In der Dunkelheit erkannte sie die verzerrten Züge seines Mundes. Er biss die Zähne aufeinander, krallte die Finger in das Fleisch ihrer Hüften und hinterließ Kratzspuren auf ihrer Haut.
Gleich würde es vorbei sein. Dann würde er sich von ihr lösen, sich aufrichten und wieder zu dem seriösen, erfolgreichen Familienvater werden, den er in der Öffentlichkeit darstellte.
»Du warst toll«, hauchte sie mit heiserer Stimme in sein Ohr, als er schließlich über ihr zusammenfiel.
Mit kalten Augen und eisigen Händen schob sie ihn von sich. Den aufkommenden Ekel übergab sie einem anderen Teil ihres Selbst. Er war verrückt nach ihr. Fanatisch. Er brauchte sie. Er würde sie nie verlassen. Sie war seine Königin. Ein kalter Lufthauch strich über ihren entblößten Unterleib und trug seinen Schweiß mit sich fort. Sie lächelte. Sie war glücklich.
***
Die Zeiger auf meiner Armbanduhr bewegten sich auf die Vier zu, als ich den Käfer vom Parkplatz der Polizeistation auf die B 258 rollen ließ und in Richtung Gemünd
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