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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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lenkte. Wenn ich Matthias noch an seinem Arbeitsplatz mit der freudigen Nachricht über die stattgefundene Versöhnung der verfeindeten Kommissare beglücken wollte, musste ich ihn jetzt anrufen. Wo war nur das verflixte Handy?
    Ich überlegte. Ging in Gedanken meinen Tagesablauf durch: Steffens Wohnung. Ich erinnerte mich genau, wie ich es aus der Ladestation genommen und in meine Tasche gepackt hatte. Beim Verlassen der Intensivstation hatte ich es wieder angestellt. Wann hatte ich später telefoniert? Im Auto? Nein. Bei Frau Rostler – der anonyme Anruf, und ich hatte Paul Henks Nummer einprogrammiert. Das war es. Vermutlich lag es noch bei der alten Dame auf dem Wohnzimmertisch.
    Fünfzehn Minuten später hob ich den Wochenspiegel von Frau Rostlers Fußmatte auf und klingelte zum zweiten Mal an diesem Tag bei der Nachbarin meines Vaters. Niemand öffnete.
    Bestimmt war sie einkaufen. Ich schmunzelte. Alte Leute gehen gerne nach Feierabend einkaufen, und Frau Rostler bildete da bestimmt keine Ausnahme. Je später sie gehen, umso höher ist die Chance, jemanden zu treffen, der Zeit für ein kleines Schwätzchen hat. Ich würde es einfach später noch einmal versuchen. Oder morgen. Den Wochenspiegel stopfte ich halb in den Briefkasten. Dann musste sie sich wenigstens nicht bücken.
    »Was hältst du davon, heute Abend, anstatt ins Theater in der Stadthalle zu gehen, mit mir nach Köln zu fahren? Ich muss dringend einige Sachen aus meiner Wohnung holen.«
    Ich lümmelte auf Steffens Sofa und beobachtete ihn dabei, wie er sich von Indiana Jones in einen eleganten Herrn mit weißem Hemd, Jackett und Anzughose verwandelte.
    »Die Sachen kannst du gleich anbehalten«, grinste ich. »Genau das Richtige für Köln bei Nacht.«
    Steffen wog die Krawatte in seiner Hand, warf sie in den Kleiderschrank und löste den obersten Knopf seines Hemdes.
    »Wie könnte ich da widerstehen. Obwohl«, nachdenklich betrachtete er die Eintrittskarte auf dem Bücherbord, »das Stück mich ja schon interessieren würde.«
    »Gilt Travestietheater auch?« Mit leichtem Bedauern wuchtete ich mich aus den weichen Polstern hoch und reckte mich. »Ich kenne einen der Darsteller und würde mir gerne einmal ansehen, womit der junge Herr sein Geld verdient. Wie wär’s? Erst kurz zu Mattes, dann zur Glamourshow und danach die Stadt unsicher machen.«
    »Immerhin hat die Karte Geld gekostet. Sollten wir nicht lieber versuchen, für dich auch noch eine zu bekommen, und dann morgen nach Köln fahren?«
    »Ich möchte Jonas Prutschik zu gerne auf die lackierten Fingerchen schauen. Und ich muss mit Mattes reden.« Ich streifte meine Strickjacke, die ich achtlos über den Sessel geworfen hatte, über. »Aber kein Problem. Ich kann auch alleine dahin gehen.«
    Ich war enttäuscht, hatte aber nicht die Absicht, ihn das merken zu lassen. »Es geht auch nur um einen Freund von mir, der unter Mordverdacht steht. Er hat zwar ein falsches Alibi bekommen und kann deswegen überlegen, ob er ins Theater will oder nicht, aber nee du, ist schon in Ordnung – ich kann da auch alleine hin.«
    Gut, so viel zum Thema »Nichts anmerken lassen«.
    Steffen lachte laut auf. »Hallo, Miss Holzhammer – schon kapiert!« Er zupfte die Theaterkarte aus dem Regal, seufzte einmal theatralisch auf und zerriss sie in kleine Stücke.
    Dann kam er auf mich zu und umarmte mich. Ich legte den Kopf in den Nacken und blickte ihn von unten herauf an. Wenn unsere Beziehung von Dauer sein würde, würde ich irgendwann Nackenprobleme bekommen. Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, hob Steffen mich hoch, küsste mich und trug mich zum Sofa zurück.

ELF
    Kleine weiße Schäfchen und sehr grünes Gras zierten das Schild aus Salzteig an der Haustür meines Kollegen. »Hier wohnen erta und Matthias Driesch«, stand in verschnörkelter Schrift darauf. Ich wusste, dass vor dem »erta« ein »H« fehlte. Herta hieß Matthias’ vor fünf Jahren verstorbene Mutter. Er hatte mit ihr zusammen in dem Haus gelebt und bewohnte es seitdem alleine. Seltsam, dass es oft die Söhne waren, die bei den Eltern blieben.
    Genau wie Olaf hatte Mattes ebenfalls eine große Schwester. Die mit den Tassen. Vera. Genau wie ich hatte Vera nach der Schule ihr Elternhaus verlassen und war ihren eigenen Weg gegangen. Auch wenn ihrer mit Keramiktassen und meiner mit Leichen gepflastert war, ähnelten wir uns vermutlich doch sehr. Vielleicht funktionierten Matthias und ich deshalb so gut als Ermittlerteam. Ich in der

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