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Gemuender Blut

Gemuender Blut

Titel: Gemuender Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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er meiner Bitte gefolgt ist.« Ich lächelte den Kollegen in Uniform an. »Es schadet nicht, wenn Sie es noch einmal machen.«
    »Es ist tragisch. Aber es ist ein Unfall, Frau Weinz.« Sauerbier würdigte mich keines Blickes, verschränkte seine Arme über seinem stattlichen Bauch und starrte durch das Wohnzimmerfenster in Frau Rostlers Haus.
    Die Terrassentür war wieder eingehängt worden, stand aber noch offen. Drinnen waren die Bestatter gerade dabei, die Leiche der alten Dame in den Transportbehälter zu legen, in dem sie in die Gerichtsmedizin gebracht werden würde. Thomas stand daneben und füllte auf einem Klemmbrett Formulare aus. Eine stumme Frage, durch die Scheiben nur an den Mundbewegungen zu erkennen, ein Nicken des Spurensicherers im weißen Overall, dann trugen sie Frau Rostler hinaus. Thomas faltete die Formulare zusammen, schob den Kugelschreiber in seine Jackentasche und kam durch das Wohnzimmer auf uns zu.
    Sauerbier nickte. »In Ordnung.« Er reichte dem Arzt die Hand. »Ich danke Ihnen, Herr Doktor.«
    »Das war kein Unfall, Herr Sauerbier. Jemand ist bei ihr gewesen. Jemand, mit dem sie Kaffee getrunken und etwas gegessen hat.« Ich würde nicht lockerlassen.
    »Wieso sind Sie so fest davon überzeugt, Frau Weinz? Sagt Ihnen das wieder Ihr Gefühl?«
    Endlich drehte er mir sein Gesicht zu und sah mir in die Augen.
    Ich überhörte die Ironie in seiner Stimme, schluckte meine aufkeimende Wut hinunter und bemühte mich um Sachlichkeit.
    »Nein, nicht mein Gefühl, sondern das Geschirr auf der Spüle in der Küche.«
    Ich trat drei Schritte zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen, wenn er gleich wieder einen seiner Wutanfälle zum Besten geben würde.
    »Gestern Morgen habe ich mit Frau Rostler über ein junges Mädchen gesprochen.«
    Sauerbier fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und schob seine Stirn in Falten, ohne etwas zu sagen.
    »Sie war der Grund für Prutschiks Verschwinden damals.«
    Der Kommissar verharrte in seiner Pose und sah mich über seinen Handrücken hinweg an.
    »Sie war fünfzehn Jahre alt.«
    »Und Prutschik?«
    »Ein erwachsener Mann von vierzig Jahren mit Familie.«
    »Was ist mit ihr passiert, als er ging?« Sauerbier löste seine verkrampfte Haltung und versenkte seine Hände in den Taschen seines Trenchcoats.
    »Frau Rostler wusste es nicht. Sie meinte, das Mädchen wäre ebenfalls weggegangen.«
    »Wissen Sie, wie sie hieß?«
    »Maria. Maria Henk.«
    »Ein häufiger Name hier in der Gegend. Wird die Sache nicht einfacher machen.« Er stockte. »Was hat das nun mit dem Geschirr zu tun?«
    Ich überlegte kurz, ob ich ihm den Namen von Marias Bruder nennen sollte. Dann müsste ich nicht mehr selbst zu ihm fahren. Auf der anderen Seite hatte Sauerbier mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich ihm zwar auskunftspflichtig war, er mir hingegen keinesfalls.
    »Wir haben Kaffee getrunken. Frau Rostler noch einen Cognac. Als ich ging, stellte sie die benutzten Tassen auf die Spüle.« Ich wollte die Erste sein, die Paul Henk zur Sache befragte.
    »Sie kann später noch einen Kaffee getrunken haben?«
    »Sie benutzte ihre Tasse vom Frühstück noch einmal, als sie mit mir …«
    »Und essen musste sie auch irgendwann.«
    »Von zwei Tellern?« Ich schüttelte den Kopf. »Außerdem sind es Kuchen-, keine Speiseteller.«
    »Und das heißt in Ihren Augen, Frau Weinz?«
    »Dass sie noch weiteren Besuch bekommen hat, nachdem ich weg war.«
    »Ist das verboten?«
    »Nein. Ungewöhnlich.« Ich sah wieder den Gesichtsausdruck der alten Frau vor mir, als ich mich von ihr verabschiedete. »Sie war einsam. Mit ihrer Freundin traf sie sich nur beim Schwimmen. Sie bekam keinen Besuch.«
    »Frau Weinz, ich denke, Sie steigern sich da in Theorien hinein, die uns nicht weiterbringen.« Er befingerte den Stoff seines Mantelrevers. »Wir verfolgen in dem Mordfall Spuren, die uns sehr aufschlussreich erscheinen.«
    Ich nickte und sah ihn an.
    »Ich bin Ihnen keine Auskunft schuldig.« Er lachte, schlug die Hände an seine Flanken und wandte sich Richtung Gartentor. »Aber Sie mir schon.«
    Er trat auf die Straße und betrachtete einen Moment nachdenklich das Haus meines Vaters. »Vergessen Sie das nicht, Frau Weinz. Das wäre nicht gut für Sie!«

DREIZEHN
    »So ein Ignorant!« Der Stuhl krachte über den Boden, als ich ihn zu mir zog und mich rittlings niederließ. »Irgendwann wird er daran ersticken!«
    »Meinst du nicht, dass er seinen Job beherrscht?« Olaf kauerte

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