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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Blech
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eine Mischung aus Meditation und Yoga – gibt sie hier am Massachusetts General Hospital im Bostoner Stadtteil Charlestown nämlich nur in den Abendstunden. Britta Hölzel ist Doktorin der Psychologie, und die meiste Zeit des Tages treibt sie im zweiten Stock der Klinik ein einzigartiges Projekt voran: Mit einem hochmodernen Kernspintomographen untersucht sie, inwiefern sich die Struktur des menschlichen Gehirns positiv verändert, wenn Menschen einen Kurs gegen Stress besuchen.
    Für die Studie haben Hölzel und ihre Kollegin Sara Lazar 26  Frauen und Männer gewonnen, auf die zweierlei zutrifft: Sie fühlten sich äußerst gestresst, und keiner von ihnen hatte je zuvor versucht, den Überdruck im Kopf durch Meditieren abzubauen.
    Vor Beginn des Experiments haben Hölzel und Lazar zunächst das Gehirn der Probanden, zu denen auch die Biologin Patrizia zählt, mit dem Kernspin untersucht. Dann haben die Forscher den Testpersonen ein achtwöchiges Trainingsprogramm verschrieben, das auf uralte buddhistische Übungen zurückgeht und von westlichen Psychologen wie Jon Kabat-Zinn als »achtsamkeitsbasierte Stressreduktion« bezeichnet wird. Ziel ist es dabei, die eigene Aufmerksamkeit völlig auf das Hier und Jetzt zu lenken.
    Einen Abend pro Woche versuchten Patrizia und die anderen Probanden, diese innere Distanz in einem 90 -minütigen Kurs zu erlangen. An den übrigen Tagen haben sie das Meditieren zu Hause allein geübt, und zwar mindestens 45  Minuten lang.
    Nach acht Wochen haben Hölzel und Lazar gefragt, wie ihnen der Kurs bekommen ist. Die Antwort: Sehr gut – den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ging es deutlich besser.
    Doch hatte der Antistress-Kurs das bewirkt? Gab es für die Verbesserungen eine neurologische Entsprechung im Gehirn?
    Um das herauszufinden, haben Hölzel und Lazar die Denkorgane ein zweites Mal untersucht und mit dem Kernspin die Dichte der grauen Substanz bestimmt. Das Ergebnis: Die Dichte war in einigen Winkeln des Gehirns deutlich erhöht. »In den Gehirnen hat sich eine Menge getan«, sagt Britta Hölzel. Diese Zunahme der grauen Substanz deutet auf eine Erneuerung der betreffenden Areale: Neuronen wurden offenbar wieder größer und haben vermutlich neue Fortsätze ausgebildet. Im Hippocampus, der für das Lernen und für das Gedächtnis wichtig ist, sind womöglich sogar zusätzliche Nervenzellen herangereift. In einem Bereich des Gehirns sank die Dichte der grauen Substanz, und zwar ausgerechnet in der Amygdala, jenem Hirnareal, in dem Ängste entstehen und sich verfestigen. [69] Das Meditieren hatte offenbar einen angstlösenden Einfluss auf die Amygdala.
    Neue Hoffnung im Kampf gegen das Leiden der Moderne
    Alles in allem legt das spektakuläre Ergebnis nahe: Die kognitive Belastbarkeit ist dank regenerierter und neuer Nervenzellen wieder gestiegen – das Meditieren hat den Stress und die Spuren, die er hinterlassen hat, gleichsam aus dem Kopf gefegt.
    Das steht in Gegensatz zu den Behauptungen, die Anfälligkeit für Stress sei biologisch vorprogrammiert. Die Erkenntnis macht damit Hoffnung im Kampf gegen eine Befindlichkeit, die sich wie eine Seuche über die moderne Zeit gelegt hat. Rund 40  Prozent der Menschen in Deutschland fühlen sich Umfragen zufolge von der Arbeit überfordert und gestresst. Jeder Zehnte klagt gar über einen gestörten Schlaf, weil ihn Stress bis ins Bett verfolgt.
    Die Weltgesundheitsorganisation ( WHO ) hat Stress als eine der bedrohlichsten Gesundheitsgefahren des 21 . Jahrhunderts ausgemacht. Stress hinterlässt Spuren an Leib und Seele: Er macht traurig und vergesslich; er verändert – wie wir gesehen haben – die epigenetische Signatur in Zellen des Gehirns; er begünstigt Arterienverkalkung, Asthma, Fettsucht und Diabetes. Zwischen  50 und 60  Prozent aller Arbeitsausfälle gehen auf stressbedingte Erkrankungen zurück – in vielen Ländern der Europäischen Union sind diese Leiden inzwischen die Hauptursache für Fehlzeiten.
    Von
desk rage
sprechen die Amerikaner, wenn Büroangestellte ihren Computer zerdeppern oder dem Kollegen an die Gurgel gehen. Die Japaner hingegen neigen dazu, den Frust in sich hineinzufressen – manchmal bis zum physiologischen Totalausfall: Hunderte Beschäftigte sacken jedes Jahr leblos am Schreibtisch zusammen. Das Phänomen ist inzwischen in Japan als beruflich bedingt anerkannt:
karoshi
 – Tod durch Überarbeitung.
    In Deutschland fordert der Stress ebenfalls seinen Tribut. Zur ständigen Plage

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