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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Blech
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Sonderschichten ab. Das Hormon Noradrenalin wiederum erhöht die Herstellung eines bestimmten Proteins, das entzündliche Vorgänge in den Herzkranzgefäßen auslöst. Dadurch wird der Arteriosklerose der Weg geebnet: Cholesterin und Blutfette ballen sich zu einer weißlichen Schlacke, welche die Gefäße inwendig verengt.
    Aber nicht nur dauerhafte Belastung, auch plötzlicher emotionaler Stress macht der Pumpe zu schaffen. Mediziner der Universitätsklinik München haben das anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 festgestellt. Während der Spiele der deutschen Mannschaft ist die Zahl der Herzattacken, die von Notärzten behandelt werden mussten, sprunghaft um den Faktor  2 , 7 gestiegen.
    Groß erscheint zudem der Einfluss, den Stress auf das Körpergewicht eines Menschen ausübt. Wenn es im Büro Ärger oder Konflikte mit dem Partner gibt, greifen viele zu Gummibärchen und Schokolade und räumen abends den Kühlschrank leer.
    Ins Werk gesetzt wird diese Fresslust durchs Gehirn. Obwohl es nur ungefähr zwei Prozent des Gesamtgewichts eines Menschen ausmacht, beansprucht es bei Stress bis zu 90  Prozent des täglichen Bedarfs an Glukose. Die Folge: Wie ein Nimmersatt verlangt das Hirn nach immer mehr Nahrung, obwohl der Körper schon längst genug hat. Der Dauerbefehl, mehr und mehr zu essen, führt mit der Zeit zu Fettleibigkeit und einem erhöhten Glukosespiegel, der seinerseits das Stoffwechselleiden Typ- 2 -Diabetes mellitus auslösen kann.
    Der Neurologe Alain Dagher von der McGill University in Montreal hält die Fettleibigkeit selbst für einen gewaltigen Stressauslöser: Jeder Verzicht auf Essen, jeder Versuch, eine Diät durchzuhalten, setzt das Gehirn weiter unter Stress, wodurch der Heißhunger erst recht entfacht wird.
    »Bisher galten Bewegungsmangel und Fastfood als Auslöser der Fettsucht«, konstatiert Alain Dagher. »Jetzt sollten wir einen weiteren Faktor hinzufügen: den Stress unserer modernen Welt.«
    Denkorgan unter Droge
    Chronischer Stress scheint wie eine Droge auf das Denkorgan einzuwirken. Und wie sich herausstellt, richtet er Schäden im Gehirn an, die man so bisher nicht für möglich hielt. Denn Stress manipuliert nicht nur dessen Arbeitsweise, sondern verändert sogar die Nervenzellen und die Struktur des Nervensystems.
    Rhesusaffen, die in den ersten sechs Lebensmonaten von der Mutter getrennt waren, haben im Vergleich zu Kontrolltieren ein auffälliges Gehirn: Ein Areal namens Kleinhirnwurm (Vermis cerebelli) und zwei weitere Gebiete sind verändert – just diese Areale sind für das Verarbeiten von Ängsten und bedrückenden Erlebnissen wichtig. Der Befund passt zu Beobachtungen an Kindern und Jugendlichen, die aus verwahrlosten Verhältnissen kommen. Auch sie haben eigentümliche Muster im Gehirn – und scheinen offenbar aus diesem Grund im späteren Leben anfällig für Depressionen und andere psychische Erkrankungen zu sein.
    Am größten scheint jedoch der Einfluss auf den Hippocampus zu sein – jene Region also, die für das Lernen und Erinnern so wichtig ist. Bereits drei Wochen Stress, das haben Versuche an Ratten gezeigt, reichen aus, um das Volumen des Hippocampus um drei Prozent zu verringern. Diese Erkenntnis passt zu früheren Beobachtungen: Viele Menschen, die etwa im Krieg gefoltert wurden und dadurch seelisch erkrankten, haben vergleichsweise kleine Hippocampi.
    Der neue Weg aus dem Stress
    Doch mischen sich in die Schreckensmeldungen der Neurowissenschaftler auch zuversichtliche Töne. Dauerhafter Stress setzt den Nervenzellen zwar mächtig zu – diese jedoch lassen sich nicht unterkriegen. Sie erweisen sich vielmehr als erstaunlich wandlungsfähig und können sich durchaus wieder erholen.
    Als Erste haben das der Göttinger Eberhard Fuchs und seine Kollegen erkannt, als sie das seelische Befinden von Spitzhörnchen der Art Tupaia belangeri zu ergründen versuchten. Die Geschöpfe erinnern entfernt an Eichhörnchen, gehören aber zu den nächsten Verwandten der Primaten.
    Ihre Lebensweise macht sie zu idealen Kandidaten der Stressforschung: Sie sind tagaktiv und ähneln Menschen überdies in puncto Stoffwechsel und Sozialgebaren. Sie flirten liebend gern miteinander, können sich aber auch mächtig in die Wolle kriegen.
    Die Männchen verteidigen beharrlich ihr Revier und machen die Hackordnung in Kämpfen aus. Wird dem Unterlegenen die Möglichkeit zum Rückzug verwehrt, hat dieser daran schwer zu tragen: Er kann nachts nicht schlafen und hängt

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