Gene sind kein Schicksal
hellhäutigen Amerikaner zum Vater, andere einen dunkelhäutigen. Sie alle waren Deutsche und konnten die gleichen Schulen besuchen. Im Psychologischen Institut der Universität Hamburg war es Klaus Eyferth, der darin eine einmalige Chance sah. Im Jahr 1961 notierte er: »Es ist Ziel der Untersuchung, die Entwicklungseigentümlichkeiten der farbigen Kinder durch einen Vergleich mit den weißen Vpn (Anmerkung des Autors: Versuchspersonen) aufzudecken. Die weißen Besatzungskinder wurden als Kontrollgruppen herangezogen, weil sie in allen Merkmalen den Mischlingskindern gleichen, die außer der Farbigkeit deren Entwicklung wahrscheinlich beeinflussen (uneheliche Geburt, sozialer Status etc.).« [95]
Die Wortwahl ist befremdlich, doch seine Studie ging Eyferth unvoreingenommen an. 264 Kinder und Jugendliche ließ er einen Intelligenztest absolvieren: 181 der Prüflinge waren farbig, 83 waren weiß. Das Ergebnis: Einerseits schnitten Jungen mit dunkler Hautfarbe etwas schlechter ab als die Knaben mit heller Haut. Andererseits erzielten die Mädchen mit dunkler Hautfarbe etwas bessere Ergebnisse als die hellhäutigen Mädchen. Zusammengenommen haben die an den Zehnjährigen durchgeführten Intelligenztests ergeben: Deutsche Schüler mit einem hellhäutigen Vater lagen bei einem durchschnittlichen IQ von 97 ; jene mit einem dunkelhäutigen Vater kamen auf einen durchschnittlichen Wert von 96 , 5 – praktisch gibt es keinen Unterschied.
Nichts anderes haben Molekularbiologen in den vergangenen Jahren herausgefunden. Die Hautfarbe hat nichts mit der Intelligenz zu tun. Ein weißer Südafrikaner kann sich stärker von einem ebenfalls weißen Landsmann unterscheiden als von einem schwarzen Landsmann.
Auch was Intelligenzunterschiede innerhalb einer ethnischen Gruppe angeht, sind die Genforscher trotz großer Forschungsanstrengungen nicht fündig geworden. Der Verhaltensgenetiker Robert Plomin aus London hat das Erbgut Tausender Schulkinder nach Abschnitten durchsucht, die mit der Intelligenz zusammenhängen. Am Ende blieb eine Assoziation übrig, aber sie erklärt nur 0 , 4 Prozent der beobachteten Intelligenzunterschiede. Das bedeutet: Wenn in einer Gruppe von Menschen der IQ der Individuen von 80 bis 130 reicht, dann erklärt das wichtigste bisher entdeckte Gen einen Anteil von nicht einmal 0 , 25 IQ -Punkten. Und ob hinter der 0 , 4 -Prozent-Assoziation überhaupt ein Gen steckt, ist ebenfalls noch gar nicht bewiesen. [96]
Eines dagegen ist bereits klar: Eine biologische Wurzel, bestehend aus einem oder einigen wenigen »Intelligenz-Genen«, gibt es nicht. Vermutlich sind es Hunderte, wenn nicht gar Tausende Gene, die für die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen eine Rolle spielen – und das tun sie natürlich im Zusammenspiel mit den Einflüssen aus der Umwelt.
Gene lösen kulturelle Reize aus
Ausgerechnet äußere Faktoren können dazu führen, dass Forscher die Talente von Kindern für angeboren halten. Geringfügige genetische Vorteile können zu großen Vorsprüngen im IQ führen, weil die Umwelt auf diese Vorteile reagiert, etwa indem das Kind extrem gefördert wird. Nehmen wir als Beispiel Basketball: Ein Kind, das überdurchschnittlich groß ist, wird wahrscheinlich besonders gerne Basketball spielen, weil es im Schulsport viele Körbe erzielt und viel Erfolg hat. Seine Eltern stellen in der Garageneinfahrt einen Korb auf. Durch die viele Spielpraxis verbessert es sich und fällt dem Sportlehrer auf, der es einer Vereinsmannschaft empfiehlt. Das Training und die Spiele am Wochenende führen zu einem verbesserten Ballgefühl. Jetzt hat das Kind nicht nur einen Größenvorteil, sonders es kann inzwischen viel besser den Ball fangen und werfen als seine Klassenkameraden. Diese Ballgefühl aber geht allein auf die Umweltreize zurück, nicht etwa auf die Gene.
Bezogen auf die Intelligenz kann es ähnlich gehen. Ein Kind, das vergleichsweise neugierig ist, wird von seinen Lehrern und Eltern besonders gefördert und häufiger für seine Geistesanstrengungen gelobt. »Das wird das Kind schlauer machen als ein Kind mit einem geringeren genetischen Vorteil – aber der genetische Vorteil kann sehr klein sein und kann einen großen Effekt hervorrufen, indem er in der Umwelt ›Vervielfältiger‹ auslöst, die entscheidend dafür sind, dass der Vorteil zum Tragen kommt«, erläutert der Psychologe Richard Nisbett von der University of Michigan in Ann Arbor. [97] Diesen Verstärker-Effekt schlagen Forscher
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