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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Blech
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Crick ( 1916 – 2004 ) die dreidimensionale Anordnung des genetischen Materials: die DNA -Doppelhelix. Dafür erhielten Crick und Watson 1962 den Nobelpreis der Medizin. Überdies hat Watson die Entzifferung sämtlicher Erbanlagen des Menschen vorangetrieben, das Humane Genomprojekt.
    An diesem Abend stellt Watson seine Memoiren vor. Sie werden als beispielhaft dafür gepriesen, wie man Erfolg im Leben haben kann. Viele im Publikum haben sich das Buch gekauft und lauschen nun erwartungsvoll Watsons Worten, der in seinem unnachahmlichen Nuschelton spricht.
    Doch so undeutlich der große alte Mann der Biologie artikuliert, so seltsam sind auch seine Ratschläge, die er den Zuschauern gibt. Um im Leben voranzukommen, sei es für Männer vielleicht gar nicht schlecht, mehrere Frauen zu haben. Nicht von ungefähr sei der von Mormonen gegründete US -Staat Utah, in dem es einst Vielweiberei gab, so erfolgreich, findet er, zieht die Schultern hoch und sagt dann noch: »Nicht alle Sachen früher waren schlecht, nur weil wir sie aufgegeben haben.«
    Kein Wunder, dass es bald zu Diskussionen mit dem Publikum kommt. Irgendwann weist ein Student den großen Biologen darauf hin, dass die Menschen genetisch gesehen doch gleich seien. Watson aber findet: »Das ist Unsinn, natürlich gibt es Rassen.« Es sei doch klar, fährt er fort, dass es zwischen den weißen Australiern und den dunkelhäutigen Aborigines erhebliche Unterschiede gebe – und zwar nicht nur in der Hautfarbe. Was die Intelligenz verschiedener Ethnien angehe, sollten »wir nicht von vornherein annehmen, dass wir alle gleich sind«. Was er damit genau sagen will, mag Watson aber nicht verraten, zumindest nicht vor diesem Publikum. Die Studenten schauen sich verwirrt an; der Abend ist dahin.
    Zwei Wochen vergehen, dann legt Watson in einem Interview mit britischen Journalisten ungeniert nach: [94] Er sehe für »die Zukunft Afrikas von Natur aus schwarz«, weil »all unsere Sozialpolitik auf der Tatsache fußt, dass deren Intelligenz dieselbe ist wie unsere – wohingegen alle Tests sagen, dass dies wirklich nicht so ist«.
    Der bekannte Biologe ist nicht der einzige Akademiker, der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe eine verminderte Intelligenz unterstellt. Im Jahr 1994 legten der (inzwischen verstorbene) Psychologe Richard Herrnstein und der Politologe Charles Murray das Buch
The Bell Curve
vor, in dem sie fordern, amerikanischen Studenten mit dunkler Hautfarbe den Zugang zu Universitäten nicht zu erleichtern. Auch hier lautet die Begründung: Aufgrund ihrer Erbanlagen seien Schwarze nun einmal weniger intelligent als Weiße. Diese Behauptung hat Tradition. 25  Jahre zuvor hatte der Psychologe Arthur Jensen von der University of California in Berkeley einen Aufsatz veröffentlicht, der Leistungsunterschiede in den Schulen als erbbedingt darstellte: Die meisten minderbegabten Kinder hätten eine dunkle Hautfarbe; deshalb sei mangelnde Intelligenz ein Merkmal ihrer ethnischen Ausstattung. Aus diesem Grund würde die frühe Förderung von Kindern aus sozial benachteiligten Minderheiten nichts bringen.
    Zu Zeiten der Sklaverei hat die amerikanische Gesellschaft Menschen mit dunkler Hautfarbe Schulausbildung und den Zugang zu Büchern verweigert. Viele Generationen wurden von der weißen Bevölkerungsmehrheit systematisch von der Bildung ausgeschlossen. Auch nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei blieb es bei der Rassentrennung, die amerikanischen Kinder mit dunkler Hautfarbe gingen auf Schulen für Schwarze, die miserabel ausgestattet waren. Wenig verwunderlich ist es deshalb, dass Kinder mit dunkler Hautfarbe benachteiligt waren, als sie in den 50 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf jene öffentlichen Schulen kamen, die bis dahin hellhäutigen Kindern vorbehalten waren.
    Die aufgrund der Diskrimierung unterschiedlichen Schulleistungen weißer und schwarzer Kinder in den Vereinigten Staaten haben weiße Akademiker wie Jensen, Herrnstein, Murray und Watson als angeblichen Beleg dafür angeführt, dunkelhäutige Menschen seien aufgrund ihrer genetischen Ausstattung intellektuell unterlegen – eine perfide Strategie.
    Dabei hat ein natürliches Experiment bereits längst offenbart, dass die Hautfarbe keinen Einfluss auf die Intelligenz hat. Es spielt im Westdeutschland der Nachkriegszeit. Etliche Soldaten der amerikanischen Armee haben Nachwuchs mit deutschen Frauen gezeugt: die damals sogenannten Besatzungskinder. Einige dieser Kinder haben einen

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