Gene sind kein Schicksal
sich körperlich bewegten. Einige von ihnen gingen regelmäßig spazieren (an sechs Tagen der Woche jeweils eine Stunde lang) – und hatten merklich bessere Verläufe als die körperlich trägen Patienten. Für Frauen mit Dickdarmkrebs gilt das ebenso, wie eine weitere Studie ergeben hat. 574 Patientinnen wurden ebenfalls nach Abschluss der Behandlung gefragt, wie häufig sie sich körperlich ertüchtigt hatten. Ihre Überlebensrate war statistisch gesehen um etwa 50 Prozent erhöht. [131]
Das Prinzip Heilen mit Bewegung beruht auf physiologischen Veränderungen in unseren Zellen, die der Wirkweise eines bewährten Medikaments ähneln. Die körperliche Ertüchtigung wirkt bis in die Zellkerne und kann dort abträgliche Gene ausschalten und günstige Gene anschalten. Eine zentrale Rolle spielt offenbar das Gen
igfbp- 3
. Das Gen stellt ein Protein her, das wie eine Krebsbremse wirkt. Es blockiert einen Wachstumsfaktor, der die Tumorgefahr erhöht. Australische Forscher haben von 443 Männern mit Dickdarmkrebs den Spiegel des IGFBP - 3 -Proteins im Blut bestimmt, sie gefragt, wie häufig sie sich denn bewegen, und den jeweiligen Verlauf der Erkrankung etwas länger als fünfeinhalb Jahre nachverfolgt. Für die körperlich aktiven Menschen ergaben sich höhere IGFBP - 3 -Werte – und diese waren mit einer um 48 Prozent verringerten Wahrscheinlichkeit verbunden, am Dickdarmkrebs zu sterben. [132]
Haben krebskranke Menschen neben der körperlichen Bewegung noch eine weitere Möglichkeit, ihre Gene und damit den Verlauf der Erkrankung günstig zu beeinflussen? Auch hier haben Ärzte des Dana-Farber Cancer Institute in Boston Pionierarbeit geleistet. [133] Mehr als 1000 Patienten haben sie untersucht, deren Dickdarmkrebs chirurgisch und chemotherapeutisch behandelt wurde. Einige Wochen später wollten die Ärzte von den Patienten wissen, was sie denn so alles essen. Zwei Ernährungsmuster schälten sich heraus: Die einen Patienten ernährten sich von Obst und Gemüse, von Geflügel und Fisch. Die anderen dagegen verzehrten große Mengen an rotem Fleisch, Süßigkeiten, raffiniertem Getreide und frittierten Kartoffeln, also eine typisch westliche Ernährung (Western diet). Anschließend haben die Forscher Einflussgrößen wie Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Stadium der Krebserkrankung und Ausmaß der körperlichen Bewegung hinausgerechnet – und haben so einen machtvollen Faktor gefunden: Die jeweilige Ernährungsweise hat erkennbar Spuren im Körper der krebskranken Studienteilnehmer hinterlassen. Unter jenen Menschen, die eine typisch westliche Ernährung hatten, brach der Dickdarmkrebs dreieinhalb Mal häufiger wieder aus.
Auch die Ernährungsweise kann die Schalter an unseren Genen verändern. Die bisher eindrücklichste Studie zum Lebensstil und dazu, wie er auf die Erbanlagen krebskranker Menschen wirkt, kommt von Ärzten von der University of California in San Francisco. [134] Sie untersuchten 30 Männer, die im Frühstadium an Krebs der Vorsteherdrüse (Prostata) erkrankt waren und es vorzogen, auf die konventionellen Behandlungsmethoden mit Chirurgie und Bestrahlung zu verzichten. Die Ärzte stanzten den Männern kleine Gewebeproben aus der Prostata – und verordneten ihnen danach ein entspanntes Leben: Jeden Tag gingen die Patienten an der frischen Luft 30 Minuten spazieren, sie meditierten ein Stündchen und erfreuten sich an einer Kost voller Früchte und Obst und Körner, die angereichert war mit Soja, Fischöl, Vitamin C und Vitamin E sowie dem Spurenelement Selen.
Drei Monate währte diese Kur, dann entnahmen die Ärzte ihren Schützlingen abermals kleine Gewebeproben aus den Vorsteherdrüsen und verglichen sie mit den alten Proben. Der neue Lebensstil hatte die Aktivität von mehr als 500 Genen verändert: Gene, die mit Erkrankungen des Herzens, Entzündungen und Krebs zusammenhängen, waren nach unten reguliert. Und Gene, die günstig für die Gesundheit sind, waren stärker aktiv. Die Details stehen in der angesehenen Fachzeitschrift
Proceedings of the National Academy of Sciences
: Onkogene aus der sogenannten ras-Familie waren abgeschaltet; das Tumor-Suppressor-Gen
sfrp
dagegen war angeschaltet. Diese Daten sind ein weiteres wissenschaftliches Argument gegen den genetischen Nihilismus. Unser Erbgut lässt uns einen Spielraum. Regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und seelische Entspannung helfen den Genen, uns gesund zu machen.
Kapitel 11 Zuckergesund ohne
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