Generation A
sie meine Gedanken lesen? Aber Sandra guckte nur runter in ihre Unterlagen. Ich fragte sie: »Sandra, was wissen Sie, das ich nicht weiß?«
»Wie meinen Sie das?«
»Als ich herkam, habe ich den Typen dabei beobachtet, wie er bei der ersten Blutabnahme den Kolben der Spritze hochzog. Er behandelte mein Blut, als wäre es der auferstandene Elvis, der im Aloha-Stadion auftritt. Seine Finger zitterten geradezu. Hier ist doch irgendwas Großes im Gange.«
»Ich kann wirklich nichts darüber sagen.«
»Ich mein ja nur ... wenn eine Kribbelmücke einen sticht, das geht tief rein. Aber bei einer Biene? Das betrifft vielleicht die obere Hautschicht und ein paar Nervenenden - das ist ziemlich oberflächlich. Wie viel Schaden kann der Stich einer Biene schon anrichten?«
Sandra meinte: »Immerhin wäre Zacks Körper von einem kleinen Stich fast explodiert.«
Natürlich hatte ich von Zack gehört. Jeder auf der Welt hatte das.
»Schon, aber Zack war allergisch dagegen«, sagte ich. »Wissen Sie, mein Vater war Tierarzt, darum kannte ich mich schon als Kind bestens aus mit Sachen wie Rinderwahn, Vogelgrippe und so. Ich weiß sogar, dass praktisch unsichtbare Läuse von einer Spezies zur anderen springen können.«
»Ich kann wirklich nicht mehr sagen.«
»Schon klar, du verlogene Fotzenfresse mit deinem schlecht gefärbten Haaransatz.« Verzeihung, mein Tourette-Syndrom.
Von den fünf Wonka-Kindern war ich das einzige, das von Anfang an wusste, dass wir nicht zufällig gestochen worden waren.
Obwohl Harj auch ziemlich schnell dahinterkam und dann weitaus scharfsinnigere Schlüsse zog.
HARJ
Eine Biene! Eine Biene! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie aufgeregt ich war, eine Biene zu sehen. Ich weiß noch, wie ich sie als Kind beobachtet habe, wenn sie zwischen den Jakarandabäumen im Hafen herumschwärmten oder in der Mittagssonne zwischen den Plumerias neben dem Postamt surrten. Als ich klein war, hat eine Lehrerin, Mrs. Arnes aus Connecticut, eine UNESCO-Hausfrau mit Langeweile, uns alles über Bienen beigebracht und uns darin geschult, in ihnen Freunde, nicht Feinde zu sehen - ein kluger Beschluss, wie ich finde. Dasselbe könnte man über Würmer sagen. Wenn man uns nicht von klein auf beibringt, sie zu mögen und zu lieben, begegnet man ihnen als etwas eher Unappetitlichem. Auch ein Teller Spaghetti Bolognese , zum Beispiel, kann bei der ersten Begegnung ein erschreckender Anblick sein. Ich könnte eine ganze Reihe weiterer Beispiele anführen, werde aber darauf verzichten.
Niemand sonst im Callcenter hatte mitbekommen, wie mich meine Biene stach. Ich betrachtete sie, und es war, als würde man einen lang vermissten Freund wiedersehen - welche Freude!
Leslie von der New York Times am anderen Ende der Leitung hatte ich darüber so ziemlich vergessen. Wahrscheinlich schrieb sie mein Schweigen meinem künstlerischen Temperament zu, aber schließlich fragte sie doch: »Werner? Sind Sie noch da, Werner?«
Ich sagte ihr, dass ich gar nicht Werner hieße, sondern Harj, dass es mir leid tue, sie auf den Arm genommen zu haben, und dass ich im Callcenter von Abercrombie&Fitch in Trincomalee, der Hauptstadt von Sri Lanka, arbeitete.
»Verarschen Sie mich nicht. Mir sitzt der Redaktionsschluss im Nacken.«
»Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Wenn Sie möchten, nennen Sie mir ein paar Wörter, ich schreibe sie auf ein Stück Papier und mache Ihnen dann ein Foto davon, auf dem Sie im Hintergrund meinen hassenswerten Boss Hemesh sehen können und die Behälter mit Guaven am anderen Ende des Lagerhauses noch dazu.«
Aus irgendeinem Grund gab sie mir die Wörter »Ofen mit Backautomatik«. Ich schrieb sie auf und hielt sie vor die Kamera. Auf dem resultierenden Foto war das grauenhaft fette Hinterteil von Hemesh nett am rechten Rand zu erkennen. Ich schickte ihr auch noch ein Foto von mir selbst, auf dem ich das Peace-Zeichen mache, und sagte dann: »Möchten Sie noch etwas weitaus Interessanteres als diese Geschichte hören?«
»Das dürfte schwer zu toppen sein, Harj.«
Ich fotografierte die Biene auf meinem Schreibtisch und schickte ihr das Bild. »Die hier hat mich gerade gestochen. Sie haben gehört, wie ich autsch gesagt habe.«
»Netter Versuch.«
»Ich scherze nicht. Lassen Sie mich eine Nahaufnahme machen. «
Es war die Gelegenheit, die Zoomfunktion meines Handys auszuprobieren, die eine Fläche von der Größe meines kleinen Fingernagels zu einer 200 -Meg-Datei machen konnte. Ich fotografierte die
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