Generation A
Das Dekameron ein.«
»Kannst du mir das buchstabieren?«
Das tat er.
Ich las laut vor: »Das Dekameron oder II Decamerone ist eine Sammlung von hundert Novellen aus der Feder des italienischen Autors Giovanni Boccaccio, die zwischen 1350 und 1353 entstand. Sie beginnt mit der Schilderung des Schwarzen Tods. Wir begegnen einer Gruppe von sieben jungen Männern und Frauen, die sich aus Florenz, wo die Pest wütet, in ein Landhaus in der Umgebung geflüchtet hat. Um sich die Zeit zu vertreiben, erzählt jedes Mitglied dieser Landpartie Geschichten von der Lust, dem Adel und dem Klerus.
In Italien wurde Ii Decamerone 1972 unter dem gleichnamigen Titel verfilmt. Eine weitere Filmfassung, die japanische Version Tokyo Dekameron aus dem Jahr 1996, fügte dem Ganzen noch lesbische Folterkammern hinzu.«
Wir saßen erst mal da und verdauten dieses Stück Information.
Diana warf ein Holzscheit in den Kamin und sagte: »Na, dann bringen wir besser unsere Vorstellungen von Lust, Adel und Klerus in eine zeitgemäße Form. Zack war schon auf der richtigen Schiene.
Erzählen wir uns Geschichten über Stalking, Superhelden und Geheimsekten.«
Der Raum wurde wärmer und damit intimer. Ich fühlte mich wieder wie ein Kind.
Ich sagte: »Wenn Zack das kann, kann ich es auch. Aber ich möchte eine Geschichte mit einem richtigen König erzählen und nichts von einem Superhelden.«
ZOE ERFÄHRT DIE WAHRHEIT
von Samantha Tolliver
Es war einmal eine Prinzessin, die hatte weder Brüder noch Schwestern. Da es ihr bestimmt war, Königin zu werden, grübelte sie in ihrer Kindheit oft und lange darüber nach, was eine Königin eigentlich noch zu tun hat, außer exzellente Tischmanieren zu beweisen und bei der Eröffnung von Gartenschauen ein Band zu durchschneiden.
Ihre Eltern hatten ihr immer gesagt, wenn ihr Tag käme, würde sie genaue Instruktionen bekommen, bis dahin solle sie das Leben genießen.
Prinzessin Zoe, das war ihr Name, ging also ins Fitnessstudio. Sie las antike Schriftrollen. Sie spielte Tennis. Um ihr Königreich als Standort für neue Industrien ins Gespräch zu bringen, aß sie mit einem Roboter made in Japan zu Mittag, der Elton John imitierte. Sie führte ein interessantes Leben. Dann, eines Tages, während eines Monats voller Regen und Überschwemmungen, erkrankte ihr Vater, und eine Totenstille breitete sich über das Schloss. Der König rief Zoe an sein Bett und sagte: »Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten.«
Zoe hatte ein komisches Gefühl im Magen, weil sie wusste, dass sie nun die genauen Instruktionen für das Königinsein bekommen würde.
»Was muss ich wissen, Vater?«, fragte sie.
Regen prasselte an die alten bleiverglasten Fenster.
»Es ist eigentlich ganz einfach. Du musst wissen, dass deine Mutter und ich an nichts glauben.“
Zoe war geschockt. »Was hast du gesagt, Vater?“
»Deine Mutter und ich glauben an gar nichts.“
»Auch nicht an so was wie ... Religion?“
»Absolut. Mit Religion kann man uns nicht kommen.“
»Politik?“
»Nö.«
»Die Monarchie?“
»Kein bisschen.«
»Warum erzählst du mir das? Wie kannst du einfach dasitzen und mir sagen, dass du an nichts glaubst? Du bist der König! Du hast ein Königreich, und du hast Untertanen, die dir ergeben sind.«
»Wenn ihre Ergebenheit sie glücklicher macht, dann lass sie doch.«
»Jetzt warte mal. Du meinst, du glaubst noch nicht mal an irgendein höheres Wesen?«
»Das siehst du richtig. An nichts.«
»Aber du bist König von Gottes Gnaden!«
»Und?«
Zoe wusste nicht, wie sie mit diesen Neuigkeiten umgehen sollte.
Der Raum neigte sich wie ein Dock bei unruhiger See. »Hast du denn je an etwas geglaubt - als du jünger warst, vielleicht?«, fragte sie.
»Ich habe es versucht. Ich habe mir alle Mühe gegeben. Wirklich.«
Zoe wurde sauer. »Papa, du bist ein Hochstapler.«
»Werd doch erwachsen, mein kleiner Kohlkopf. Hast du dich noch nie gefragt, wie ich jeden Tag so guter Laune sein kann, selbst wenn die Bauern mit Aufstand drohen und die Königin von Spanien meine Gastfreundschaft weit überstrapaziert?«
»Aber musst du nicht an irgendwas glauben?«
»Prinzessin, du bist zu alt, um nicht einige, wie soll ich es sagen, Erfahrungen gemacht zu haben. Du hattest unschöne Erlebnisse mit Internetbekanntschaften. Du kennst Menschen, die sich mies dir gegenüber verhalten haben. Du hast gesehen, was du gesehen hast, du hast gefühlt, was du gefühlt hast. Ideologie ist was für Menschen, die ihren eigenen
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