Generation A
Damit waren sie sogar noch erfolgreicher, denn:
»Süße, wer eine Zurückgebliebene ohrfeigt, steht schon mit einem Bein in der Hölle. Dein gekonntes Sabbern ist einfach Gold wert.«
In Stellas Augen war die einzige positive Fähigkeit, die sie ihrer Mutter verdankte, die, dass sie ihr Lesen beigebracht hatte, und das auch nur, weil Lesen der einzige Zeitvertreib war, der Stella ruhigstellen konnte. Außerdem musste man, um gratis an Bücher zu kommen, nur in irgendeine Bücherei gehen, Bücher ausleihen und sie nie wieder zurückgeben. So unterrichtete Stella sich selbst und konnte sich schließlich zu den meisten Themen mit großer Sachkenntnis äußern. Etwa im Alter von elf war sie ihrer Mutter an »Bücherwissen“
weit überlegen.
Eines Tages waren sie in einem Kröger-Supermarkt, um sich Zutaten für Mortadella-Sandwiches zu kaufen, als die Kassiererin zufällig den Preis eines Steaks sah, den ihre Kollegin nebenan gerade eintippte, und meinte: »Ist das denn die Möglichkeit?«
Stella sagte: »Das ist noch gar nichts. In Tokio ist ein Steak dreimal so teuer.«
»Wirklich?«
»Absolut. Die Wirtschaft ist dort gerade in einer sogenannten Post-Bubble-Phase.“
»In einer was?«
Stella verbreitete sich über die Landspekulation im Japan der 1990er Jahre, ohne zu bemerken, wie sehr das ihre Mutter erschreckte, die sich bereits vorstellte, wie Stella sie eines Tages verlassen würde, weil ein besseres Leben auf sie wartete. Was sollte dann aus Jessica werden? Als sie die Sandwichzutaten zu ihrem Winnebago trugen, fühlte Jessica sich elend und allein.
Dann geschah eines Tages das Unvermeidliche. Sie nahmen gerade einen korpulenten älteren Herrn mit weißer Mähne an einer Reihe von Münztelefonen im Hotel Meridien in Salt Lake City aus. Stella brillierte in ihrer Darstellung einer geistig wie körperlich Behinderten, und Jessica ging das Herz auf vor mütterlichem Stolz, als sie den Mann ansprach und Entschädigung verlangte. Doch der Mann reagierte etwas merkwürdig. Als er um das Geld angehauen wurde, bedachte er Jessica nicht mit Flüchen. Das hätte sie warnen sollen.
Als sie zurück zum Winnebago kamen, standen dort drei Polizisten und zwei Leute vom Hotel. Scheiße.
»Ich höre schon seit Jahren von eurem Trick und habe es immer für einen Urbanen Mythos gehalten. Aber offensichtlich stimmte es. Gut, dass wir alles auf Band haben - das Nachrichtenteam vom dritten Programm wird von unserem Schätzchen begeistert sein.«
Also ging es ab mit ihnen, Jessica ins Kittchen und Stella in den Jugendgewahrsam. Die lokalen Fernsehnachrichten brachten einen Beitrag über Nepper, Schlepper, Bauernfänger, mit besonderem Schwerpunkt auf Jessicas Abzockmethode. Wie sich herausstellte, hatte das Hotel die ganze Lobby mit Überwachungskameras bestückt, die den Betrug aus zwei verschiedenen Blickwinkeln auf Band aufzeichneten.
Zum Glück für Jessica nahm sich ein Anwalt namens Roy, dem ihr Körperbau gefiel, des Falls an. Er holte sie gegen Kaution raus, sie fuhren in seine Eigentumswohnung und hatten wilden Sex. Später besprachen sie bei Zigaretten und Cuba libres Stellas Heimeinweisung.
Der Rum - zusammen mit Jessicas eidechsenhaften Tendenzen brachte sie dazu, die Beziehung zu ihrer Tochter neu zu bewerten.
Jessica erzählte Roy, dass Stella mittlerweile klüger war als sie, und gestand ihm ihre Befürchtung, irgendeines schrecklichen Tages in nicht allzu fernen Jahren einfach von ihr abgehängt zu werden.
Roy sagte: »Was du brauchst, ist ein Mann, Jessica. Männer sind für die Ewigkeit.«
Jessica floh mit Roy aus der Stadt; wie sich herausstellte, war er gar kein Anwalt, sondern selbst ein Trickbetrüger.
Mit sechzehn wurde Stella aus der Jugendfürsorge entlassen. Sie zog nach Los Angeles, wo sie etwa zehn Minuten lang versuchte, einen ordentlichen Job zu finden, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass ordentliche Jobs nichts für sie waren. Also ging sie anschaffen, sprach für Rollen vor, versuchte echte Beziehungen mit Männern und Freundschaften zu Frauen zu führen, sah sich aber jedes Mal für gewöhnlich in einer frühen Phase der Beziehung - vor das Problem gestellt, zu dem anderen kein Vertrauen fassen zu können, und zog die Reißleine.
Jahre vergingen. Stellas Unfähigkeit, anderen Menschen zu vertrauen, verschlimmerte sich noch, und sie verlor daneben auch die Neugier auf die Welt. Noch bevor sie dreißig war, war sie endgültig zu plemplem, um sich je an einen anderen Menschen zu
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