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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Schrecklichen genannt. Doch das konnte sie einander nicht näherbringen. Maljuta hatte den neuen Kollegen in ein Gespräch über sein Lieblingsthema, die Geopolitik, gezogen und zu hören bekommen, Hauptinhalt der Geopolitik sei der unauflösliche Konflikt zwischen rechter und linker Hemisphäre, wie er manche Menschen bedauerlicherweise von Geburt an plage. Seither grollte ihm Maljuta.
    Überhaupt war Maljuta ein Mensch, der einem Angst einjagen konnte. Er war glühender Antisemit, und das nicht, weil er irgend etwas gegen die Juden einzuwenden gehabt hätte, sondern weil er sich das Image eines Patrioten zu geben bemüht war, in der logischen Annahme, daß einer, der Maljuta hieß, keine Alternative hatte. Und die Kaffeesatzleser jener Boulevardzeitungen, aus denen Maljuta sein Weltbild bezog, stimmten darin überein, daß Antisemitismus obligatorischer Bestandteil eines patriotischen Images war. Maljutas beharrliche Imagearbeit hatte zum Ergebnis, daß er einem vorkam wie der letzte Schurke aus Osama bin Ladens Gang in einem bescheuerten B-Movie, was Tatarski ernsthaft zum Nachdenken brachte: ob nämlich diese B-Movies tatsächlich so bescheuert waren, wenn sie es doch schafften, die Wirklichkeit nach ihrem Bilde zu formen.
    Um einander kennenzulernen, hatten Tatarski und Chanins Assistenten ihre Mappen ausgetauscht; es ließ an das erste gegenseitige Beschnüffeln von Hunden denken, die ihre Rangfolge zu klären haben. Beim Blättern in Maljutas Mappe schauderte es Tatarski einige Male: Die in seiner Sprite-Konzeption enthaltene Zukunftsvision (pseudoslawisch gestylter Hühnerstall, wie er sich in den Rauchwolken eines Militärputsches abzeichnet), damals eher aus Übermut entworfen, sprang ihn von diesen kopierten Seiten in voller Größe an. Besonders erschüttert war Tatarski von einem Treatment für Harley-Davidson-Motorräder:
    Straßenszene einer russischen Kleinstadt. Verschwommen im Vordergrund, bedrohlich über dem Betrachter: ein Motorrad. Kirche im Hintergrund, Glockenklang. Der Gottesdienst ist eben zu Ende, das Volk kommt die Straße herunter. Unter den Passanten sind zwei junge Männer in roten, über der Hose hängenden Blusen – es könnten Zöglinge einer Militärschule auf Urlaub sein. Groß: Jeder hält eine Sonnenblume in Händen. Detail: ein Mund, der Schalen von Sonnenblumenkernen ausspuckt. Halbnah: Lenker und Tank des Motorrads im Vordergrund, dahinter unsere Helden, die verwundert zu dem Gefährt herübersehen. Detail: Finger, die Kerne aus der Sonnenblume pulen. Groß: Blickwechsel der Helden. Der eine sagt zum anderen:
    »Bei uns im Zug gab es einen Sergeanten mit Namen Harlejew. Spitzname Harley. Ein Pfundskerl. Hat sich totgesoffen.«
    »Wieso das?« fragt der andere.
    »Wieso schon. Ist doch kein Leben für einen Russen heutzutage.«
    Aus der Tür des Hauses tritt ein hünenhafter, schwarzlockiger Ostjude in schwarzer Lederjacke und schwarzem, breitkrempigem Hut. Neben ihm wirken unsere Helden klein und schmal, unwillkürlich weichen sie einen Schritt zurück. Der Jude schwingt sich auf das Motorrad, wirft es an und knattert davon, verschwindet binnen Sekunden aus dem Blickfeld. Zurück bleibt eine blaue Abgaswolke. Neuer Blickwechsel unserer Helden. Jener, der die Rede auf den Sergeanten gebracht hatte, sagt seufzend und schalenspuckend:
    »Wie lange wollen diese Davidsons noch auf die Harleys steigen? Rußland, erwache!«
    Slogan:
    Harley. Um nicht zu sagen: Davidson.
    (Soft Version: Harley-Davids on. Überall auf der Welt.)
    Zunächst meinte Tatarski eine Parodie vor sich zu haben. Doch machten die anderen Texte Maljutas ihm schnell klar, daß Sonnenblume und Sonnenblumenkernschalen zu den Grundfesten seiner positiven Ästhetik zählten. Die Kaffeesatzleser der Boulevardzeitungen hatten ihn wissen lassen, daß Sonnenblumenkerne und patriotisches Image untrennbar zueinandergehörten, worauf Maljuta sich die Liebe zu den Sonnenblumen ebenso ergeben und vorbehaltlos implantierte wie zuvor den Antisemitismus.
    Der andere Copywriter, Serjosha, blätterte stundenlang in westlichen Journalen und knackte mit dem Wörterbuch deren Reklamesprüche, weil er annahm, daß das, was für Staubsauger auf der einen Hemisphäre taugte, auch für Wanduhren gut war, die auf der anderen tickten. In leidlichem Englisch fragte er seinem Kokaindealer, einem Pakistani namens Ali, Löcher in den Bauch, wollte von ihm alle möglichen kulturellen Kodes und Parolen erfahren, auf die die westliche Werbung

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