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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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das dem Wowerismus gemäße politische Regime angeht, so begegnet man hierfür auch den Namen Telekratie resp. Mediakratie, denn zu wählen ist in ihm allenfalls das Fernsehprogramm (das, wie wir sahen, gar auch als Wähler fungiert). Es sei darauf hingewiesen, daß das Wort Demokratie, welches die modernen Massenmedien häufig gebrauchen, mit dem gleichlautenden, im 19. Jh. und noch zu Anfang des 20. Jh. verbreiteten Begriff nichts gemein hat. Wir haben es hier mit sogenannten Homonymen zu tun; der alte Begriff Demokratie leitet sich von griech. demos her, der neue von engl, demo-version.
    Wir fassen zusammen.
    Identialismus ist Dualismus auf einer Stufe seiner Entwicklung, da die großen Korporationen die Reform des menschlichen Bewußtseins zu vollenden im Begriff sind, das so lange unter dem permanenten Einfluß dreier Wow!-Impulse – des oralen, des analen und des verdrängenden – stand, bis es die entsprechenden Wow!-Faktoren selbst zu generieren wußte; die Verdrängung der Persönlichkeit durch eine an ihrer Stelle etablierte Identität ist die bleibende Folge. Identialismus ist Dualismus mit dreifacher Konnotation: Er ist a/tot, b/verrottet und c/digitalisiert.
    Viele Definitionen für den Begriff der Identität sind möglich, erübrigen sich jedoch, da eine solche real nicht existiert. Und während man in vorangegangenen Stadien der Menschheitsgeschichte von einer Unterdrückung des Menschen durch den Menschen resp. des Menschen durch die Abstraktion sprechen durfte, kann von Unterdrückung zu Zeiten des Identialismus schon nicht mehr die Rede sein. Einer, für dessen Befreiung zu kämpfen wäre, ist weit und breit nicht zu sehen.
    Darum ist das Ende der Welt, von dem die Christenheit so lange sprach und zu dem die Wowerisierung des Bewußtseins unweigerlich führt, in jeder Beziehung ungefährlich – der, dem Gefahr drohen könnte, ist nicht mehr da. Das Ende der Welt wird eine Fernsehsendung sein. Und dies, Brüder im Kampf, erfüllt uns alle mit unaussprechlicher Glückseligkeit.
    Che Guevara, Monte Sumeru, Ewigkeit, Sommer.
    »Der also auch. Wir sind alle Sumerer«, flüsterte Tatarski und sah auf.
    Hinter der Gardine vibrierte das graue Licht des neuen Tages. Links neben der Planchette lag ein Stapel beschriebenen Papiers. Die müden Unterarmmuskeln schmerzten. Nichts hatte Tatarski von dem empfangenen Text im Kopf behalten – nur den Ausdruck »bürgerliches Denken«. Er stand auf und ging zum Bett. Ohne sich auszuziehen, fiel er hinein.
    Bürgerliches Denken, was mag das sein? dachte er. Weiß der Teufel. Bestimmt geht es um Geld. Worum sonst.

Der sichere Hafen
    In dem Fahrstuhl, der Tatarski an seinen neuen Arbeitsplatz beförderte, gab es ein einsames Graffito. Eines allerdings, das für Klarheit sorgte: Irgendwo in der Nähe mußte das Herz des Werbebusineß schlagen. Es handelte sich um eine Variation auf ein klassisches Thema – jene Jim-Beam-Whiskyreklame, in der ein schnöder Hamburger zum komplexen und vielschichtigen Sandwich mutiert, dieses zum noch vertrackteren Baguette, und das Baguette wieder zum schnöden Hamburger. Womit bewiesen sein sollte: Alles kehrt sich zu den Anfängen. Hier nun an der Fahrstuhlwand stand in gigantischen Reliefbuchstaben, die einen langen, gezeichneten Schatten warfen:
    FUCK
    – und darunter in kleinen Buchstaben der Jim-Beam-Kommentar: YOU ALWAYS GET BACK TO THE BASICS.
    Daß die Inschrift die ganze mitzudenkende evolutionäre Reihe einfach aussparte, fand Tatarski großartig. So viel Lakonie verriet ihm die Hand eines Meisters. Dazu kam, daß der Text – bei aller Gewagtheit der thematischen Beschränkung – keinen Gedanken an Freud aufkommen ließ.
    Gut möglich, daß hinter dem unbekannten Meister einer der beiden Kreativen steckte, die gleichfalls für Chanin arbeiteten. Sie hießen Serjosha und Maljuta, und der eine war das ganze Gegenteil vom anderen. Serjosha, ein kleiner, spilleriger Blonder mit Goldrandbrille, mimte nach Kräften den Copywriter westlichen Zuschnitts; da er aber nicht wußte, was einen Copywriter westlichen Zuschnitts ausmachte, und diesbezüglich also seinen eigenen skurrilen Vorstellungen folgte, kam etwas heraus, das auf rührende Weise russisch und fast schon ausgestorben war.
    Maljuta, kerniger Typ im abgewetzten Jeansanzug, war Tatarskis Leidensgefährte – auch er hatte für den Hang seiner romantischen Erzeuger zu seltenen und abwegigen Namen büßen müssen und war nach dem übelsten aller Kumpane Iwan des

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