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Genesis Secret

Genesis Secret

Titel: Genesis Secret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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wollen die aus dem Westen mehr.«
    Rob sah den jungen Jesiden an: Wovon genau redete der Kerl? Karwan rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. Er schien müde. Durch die Fensterschlitze hörte Rob ganz schwach die Geräusche Lalischs: Kinderlachen, das Sprudeln der Quelle.
    Karwan beugte sich vor. »Was ist eigentlich los mit Ihnen? Warum wollen Sie immer alles wissen? Mit Breitner war es genau das Gleiche. Mit dem Deutschen. Genau das Gleiche.« Rob machte große Augen. Karwan nickte. »Ja. Breitner. In Göbekli Tepe …«
    Bedrückt zeichnete der junge Jeside das Muster des Teppichs nach. Sein Zeigefinger folgte den scharlachroten Schnörkeln der Stickerei. Er schien angestrengt nachzudenken, um eine wichtige Entscheidung zu ringen. Rob wartete. Seine Kehle war sehr trocken, seine Handgelenke schmerzten von den Fesseln. Dann fragte er: »Könnte ich etwas zu trinken haben, Karwan?«
    Der Jeside griff nach einer kleinen Plastikflasche mit Mineralwasser. Er hielt sie Rob an die Lippen, und Rob trank; schaudernd, schnaufend, schluckend. Karwan stellte die Flasche zwischen ihnen auf den Betonboden und seufzte wieder.
    »Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Es hat keinen Sinn, sie Ihnen noch länger zu verheimlichen. Vielleicht kann die Wahrheit den Jesiden helfen. Denn die vielen Lügen und falschen Behauptungen, sie schaden uns nur. Ich bin der Sohn eines jesidischen Scheichs. Eines religiösen Führers. Aber ich bin auch jemand, der unseren Glauben von außen studiert hat. Das gibt mir eine Sonderstellung, Mr Luttrell. Eine Stellung, die mir vielleicht einen … objektiveren Blick ermöglicht.« Karwan wich Robs Blick aus. Schuldgefühle? Dann fuhr er fort: »Was ich Ihnen jetzt erzählen werde, wurde noch nie einem Nicht-Jesiden enthüllt, seit Tausenden von Jahren nicht. Vielleicht überhaupt noch nie.«
    Rob hörte aufmerksam zu. Karwans Stimme war emotionslos, fast monoton. Als handelte es sich um einen einstudierten Monolog oder etwas, worüber er lange Zeit nachgedacht hatte: eine vorbereitete Rede.
    »Die Jesiden glauben, dass Göbekli Tepe der Ort ist, an dem sich der Garten Eden befand. Vielleicht wissen Sie das auch schon. Ich bin der Meinung, dass durch unseren Glauben andere Religionen… inspiriert worden sind.« Er zuckte mit den Achseln und atmete tief aus. »Wie ich Ihnen bereits erklärt habe, glauben wir, dass wir direkte Nachkommen Adams sind. Wir sind die Söhne des Kruges. Deshalb ist Göbekli Tepe die Heimat unserer Vorfahren. Jeder Jeside, der wie ich der Priesterkaste, der Oberschicht, angehört, wächst in dem Bewusstsein auf, dass wir Göbekli Tepe schützen müssen. Wir müssen den Tempel unserer Vorfahren schützen und verteidigen. Aus demselben Grund bekommen wir von unseren Vätern - und den Vätern unserer Väter - immer wieder aufs Nachdrücklichste eingeschärft, dass wir die Geheimnisse von Göbekli hüten müssen. Alles, was von dort weggebracht wird, müssen wir verstecken oder zerstören. Wie diese … Überreste … im Sanliurfa-Museum. Das ist unsere Pflicht als Jesiden. Weil unsere Vorfahren einen Grund hatten, Göbekli Tepe zu verschütten.« Karwan griff nach der Flasche und nahm einen Schluck Wasser; seine dunkelbraunen kurdischen Augen glühten im Dämmerlicht der Abstellkammer, als er Rob direkt ansah. »Ich weiß natürlich, was Sie sich jetzt fragen, Mr Luttrell. Welchen Grund? Warum haben meine jesidischen Vorfahren Göbekli Tepe zugeschüttet? Warum müssen wir es unbedingt schützen? Was ist dort passiert?« Karwan lächelte, aber sein Lächeln war bekümmert, geradezu gequält. »Das ist eine Frage, auf die wir keine Antwort wissen. Es gibt niemanden, der uns das sagen kann. Wir haben keine schriftliche Überlieferung. Alles, was unsere Religion betrifft, wird mündlich weitergegeben, von Mund zu Mund, von Ohr zu Ohr, vom Vater an den Sohn. Als ich klein war, fragte ich meinen Vater immer: Warum haben wir diese Traditionen? Und er sagte immer nur: Weil es Traditionen sind - das war seine einzige Erklärung.«
    Rob wollte etwas sagen, aber Karwan schnitt ihm mit unwirsch erhobener Hand das Wort ab. »Das hat natürlich lange Zeit keine Rolle gespielt. Viele Jahrhunderte lang nicht. Niemand bedrohte Göbekli Tepe. Außer den Jesiden wusste nicht einmal jemand, dass es Göbekli überhaupt gibt. Es blieb in seiner uralten Erde vergraben. Doch dann tauchte der Deutsche auf, und die Archäologen kamen mit ihren Schaufeln, Baggern und Maschinen. Sie sondierten und

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