Genesis Secret
Theorie ist ziemlich gewagt. Und die Jesiden, mit denen ich gesprochen habe, waren der festen Überzeugung, das Buch sei noch in England. Wie willst du das so einfach von der Hand weisen? Und dann ist da noch dieser Inspektor, Kiribali…«
Isobel lachte leise. »Mich kennt Kiribali nicht. Außerdem bin ich achtundsechzig. Wenn ich von irgendwelchen psychotischen Nestorianern enthauptet werde, meinetwegen, dann brauche ich nicht mehr über ein Rezept für eine neue Brille nachzudenken. Mach dir meinetwegen keine Sorgen, Rob. Ich habe sogar schon eine Idee, wo das Buch sein könnte. Ich fliege noch heute Abend nach Urfa.«
Rob gab nach. Die Hoffnung, die Isobel weckte, war schwach, sehr schwach, doch sie machte auch Eindruck auf ihn - vielleicht weil er sonst keine Hoffnungen mehr hatte. Er wusste, dass Isobel ihr Leben riskierte, egal was bei der Sache herauskam. »Danke, Isobel. Danke. Danke für alles.«
»Nichts zu danken. Wir werden deine zwei Mädels retten, Rob. Glaub mir - schon bald!«
Rob lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Dann stand er auf, zog sich an und verließ die Wohnung, um etwas trinken zu gehen. Als er nach einer Weile wieder zurückkam, hielt er die Stille nicht aus, weshalb er erneut losging und weitertrank. Er zog von Pub zu Pub, trank langsam und allein, sah alle fünf Minuten auf sein Handy. Am nächsten Tag tat er das Gleiche. Und am übernächsten ebenfalls. Sally rief fünfmal an. Seine Freunde von der Times riefen an. Steve rief an. Sally rief an. Die Polizei nicht.
Isobel meldete sich fast stündlich, um ihm zu berichten, wie sie in Urfa vorankam. Sie sagte, sie habe das Gefühl, »ganz dicht dran zu sein«. Einige Jesiden leugneten, das Buch zu haben, doch andere gingen mit ihr konform, dass sie das Buch zurückbekommen hatten. Allerdings wusste niemand, wo es sich befand. »Ich bin der Wahrheit auf der Spur, Rob«, sagte sie. »Der Wahrheit und dem Schwarzen Buch.«
Bei Isobels letztem Anruf konnte er den Muezzin im Hintergrund hören, hinter Isobels ernster, aber aufmunternder Stimme. Es hatte etwas seltsam Erschreckendes, die Hektik und den Lärm Sanliurfas zu hören. Wäre er nie in diese Stadt gefahren, wäre das alles nicht passiert. Hätte er bloß nie etwas von Kurdistan gehört.
Zwei weitere Tage tat Rob nichts anderes, als sich zu quälen. Isobel hörte auf anzurufen. Steve rief nicht mehr so oft an. Die Stille war unerträglich. Er versuchte, Tee zu trinken, und er versuchte, Sally Mut zu machen, und er ging in den Supermarkt, um Wodka zu kaufen. Dann kehrte er nach Hause zurück und setzte sich sofort an den Computer, wieder einmal. Inzwischen tat er es rein mechanisch, ohne etwas zu erwarten.
Doch diesmal war das kleine Briefsymbol auf seinem Bildschirm.
Eine neue E-Mail war eingegangen, und die neue E-Mail war von … Cloncurry.
Rob biss die Zähne zusammen und öffnete die Nachricht.
Die E-Mail enthielt nichts außer einem Link zu einem Video. Rob klickte ihn an. Auf dem Bildschirm herrschte kurz Schneetreiben, dann klärte sich das Bild, und Rob sah Christine und seine Tochter in einem leeren Zimmer, nach wie vor an Stühle gefesselt. Es war ein anderes Zimmer, kleiner als das letzte. Christine und Lizzie hatten ihre Kleider gewechselt. Offensichtlich waren sie an einen anderen Ort gebracht worden.
Aber daran lag es nicht, dass Rob von einer neuen, tieferen Angst erfasst wurde. Es lag daran, dass den beiden Kapuzen übergestreift worden waren. Die Entführer hatten Christine und Lizzie dicke schwarze Kapuzen über den Kopf gezogen.
Rob verzog das Gesicht. Nur zu gut konnte er sich an die Panik erinnern, die sich seiner bemächtigt hatte, als ihm in Laiisch dieser stinkende schwarze Sack über den Kopf gezogen worden war. Als er nur noch in schattiges Dunkel gestarrt hatte.
Diese neuen angsterregenden Bilder des Videos - von Lizzie und Christine, stumm, vermummt und an Stühle gefesselt - zogen sich quälend lange drei Minuten hin. Dann erschien Cloncurry und sprach direkt in die Webcam.
Rob starrte auf das schmale, attraktive Gesicht.
»Hallo, Robert! Wie Sie sehen, sind wir in ein interessanteres Quartier umgezogen. Um die Mädchen so richtig in Panik zu versetzen, haben wir ihnen Kapuzen übergestreift. So. Dann erzählen Sie mal vom Schwarzen Buch. Sind Sie ihm wirklich auf der Spur? Ich muss es wissen. Ich will auf dem Laufenden gehalten werden. Verschweigen Sie mir bitte nichts. Ich mag keine Geheimnisse. Familiengeheimnisse sind etwas
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