Genesis Secret
stießen, gar nicht mehr die Mühe, sie vollständig freizulegen - sobald sie sich einen groben Eindruck von der Beschaffenheit des jeweiligen Skeletts verschafft hatten, forderte Christine die Männer auf, an einer anderen Stelle weiterzugraben.
Wieder ein Schädel; wieder ein Skelett. Diese Menschen, stellte Rob fest, waren ziemlich klein gewesen. Typische Jäger und Sammler, wie ihm Christine erklärte, höchstens eins fünfzig groß. Gedrungene Höhlen- und Wüstenbewohner, mit einer kräftigen Statur und selbst für die damalige Zeit nicht überdurchschnittlich groß.
Sie gruben schneller und schneller. Ihre Arbeitsweise war chaotisch und nachlässig. Die Sonne hatte den Zenit bereits überschritten, und Rob konnte fast spüren, wie die gewaltige Wasserwand näher kam. Die nahende Flut war nur wenige Tage entfernt.
Trotzdem gruben sie weiter.
Und dann hörte Rob wieder einen Ruf, diesmal von Radevan.
»Mr Rob«, rief Radevan. »Kommen Sie! Sehr großer Mann. Wie Amerikaner.« Er kratzte Erde von einem Oberschenkelknochen. »Wie Amerikaner, die essen viel McNuggets.« Der Oberschenkelknochen war fast doppelt so groß wie irgendeiner der anderen, die sie bisher gefunden hatten.
Christine und Rob sahen sich den Fund an und legten den Rest des Skeletts frei. Es dauerte eine Weile, denn das Skelett war riesig: mindestens 2,30 Meter lang. Alle scharrten Erde von den Beckenknochen. Von den Rippen. Von der Wirbelsäule - und legten große weiße Knochen in dem schmutzigen gelben Staub frei. Dann kamen sie zum Schädel. Radevan zog ihn vorsichtig heraus und hielt ihn hoch.
Rob blieb der Mund offen stehen. Er war riesig.
Christine nahm Radevan den Schädel aus den Händen und untersuchte ihn. Er sah nicht so aus, als stammte er von einem Menschen. Er war wesentlich größer, mit schrägstehenden, vogelartigen Augenhöhlen, ausgeprägten Wangenknochen, einem kleineren Kiefer und einer extrem großen Hirnschale.
Rob untersuchte den grinsenden Kiefer, dessen Zähne noch intakt waren. »Das ist…« Er wischte sich Schweiß, Salz und Staub aus dem Gesicht. »Das ist ein Hominide, oder?«
»Ja«, sagte Christine. »Aber …« Sie drehte den Schädel im schattenlosen Sonnenlicht.
Der Schädel war mit dunkler gelber Erde gefüllt, was den großen schrägstehenden Augenhöhlen einen kalten und feindseligen Ausdruck verlieh. Irgendwo konnte Rob einen Vogel rufen hören - ein einsamer Vogel, der träge am Himmel kreiste. Wahrscheinlich ein Geier, von den Knochen angelockt.
Christine wischte etwas Staub von dem Schädel. »Eindeutig hominid. Eindeutig nicht Homo sapiens. Mit nichts vergleichbar, was jemals gefunden wurde. Extrem große Hirnschale, vermutlich hochintelligent.«
»Sieht irgendwie … asiatisch aus. Nicht?«
Christine nickte. »In mancher Hinsicht mongolid, ja. Aber … aber schau dir mal die Augen an, und den Schädel. Erstaunlich. Aber es passt. Ich glaube …« Sie sah Rob an. »Ich glaube, was ich hier in den Händen halte, ist die Erklärung dafür, wie die Hybridisierung zustande gekommen ist. Das hier ist die andere Hominiden-Spezies. Diejenige, die sich mit den ursprünglich hier ansässigen kleineren Menschen vermischt und so die Art hervorgebracht hat, von der der Schädel des Schwarzen Buchs stammt.«
Die Kurden gruben weiter. Ein Skelett nach dem anderen wurde freigelegt. Die Anzahl der Knochen hatte etwas Abstoßendes. Die Sonne senkte sich dem Horizont entgegen, die Zeit des Fastens wäre bald vorüber, und die Männer konnten es kaum erwarten, zum abendlichen Festessen nach Hause zu kommen.
Als er zu erschöpft war, um weiterzugraben, zu angewidert vom Weiß der Knochen und dem Grinsen der riesigen Schädel, legte sich Rob mit dem Rücken in den Staub und starrte ins Leere. Dann nahm er sein Notizbuch heraus und begann zu schreiben. Einen Artikel aufzusetzen - das war die einzige Möglichkeit, die er kannte, um ein Rätsel zu lösen: alles niederzuschreiben, vor sich auszubreiten und auf diese Weise einen Handlungsfaden zu finden. Er spürte, wie das Licht schwächer wurde, während er schrieb.
Als er mit seinen Notizen fertig war, blickte er auf: Christine vermaß Knochen und machte Skizzen von den Skeletten. Doch der Tag war vorüber. Der Wüstenwind blies mild und erfrischend.
Das Flutwasser war inzwischen so nah, dass Rob es riechen konnte. Wahrscheinlich nur noch vier, fünf Kilometer entfernt. Mit müden Augen schaute er in die Gräben hinab. Sie hatten einen riesigen,
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