Genesis Secret
Christine überlegte kurz. »Mit Ausnahme eines Orts … Es gibt einen Ort, wo sie schon vor Göbekli Keramik kannten.«
»Ja?«
»In Japan.« Christines Stirn legte sich in Falten. »Die Jömon in Japan.«
»Die wer?«
»Eine sehr frühe Kultur. Japanische Ureinwohner. Die Ainu, die heute noch im hohen Norden Japans beheimatet sind, stammen möglicherweise von ihnen ab …« Sie stand auf und massierte sich ihren schmerzenden Rücken, dann ging sie an den Kühlschrank, nahm eine kalte Flasche Wasser heraus und trank gierig daraus. Nachdem sie sich wieder aufs Bett gelegt hatte, fuhr sie fort: »Die Jömon tauchten buchstäblich aus dem Nichts auf. Sie waren möglicherweise die Ersten, die Reis anbauten. Und dann fingen sie an, hochwertige Tongefäße herzustellen - die sogenannte Schnurkeramik.«
»Wann war das?«
»Vor sechzehntausend Jahren.«
»Vor sechzehntausend Jahren?« Rob sah sie ungläubig an. »Das ist über dreitausend Jahre vor Göbekli.«
»Ja. Und es gibt nicht wenige, die glauben, dass die Jömon Ostasiens ihre Techniken von einer noch früheren Kultur gelernt haben könnten. Zum Beispiel von den Kondons am Amur. Möglicherweise. Der Amur ist ein Fluss, der über weite Strecken die Grenze zwischen Russland und China bildet; dort gibt es Hinweise auf Keramik, die zeitlich sogar noch weiter zurückreichen. Es ist äußerst rätselhaft. Sie kommen und gehen, diese unerklärlich hoch entwickelten Völker des Nordens. Sie sind im wesentlichen Sammler und Jäger, aber plötzlich machen sie einen abrupten und vollkommen unerklärlichen technologischen Sprung.«
»Inwiefern unerklärlich?«
»Weil dieser Sprung in Regionen stattgefunden hat, die nicht gerade für die Entstehung hochentwickelter früher Kulturen bekannt sind: Sibirien, die Innere Mongolei, der hohe Norden Japans. Lauter Gebiete, die nicht im warmen, sonnigen und fruchtbaren Gürtel liegen, sondern in extrem frostigen und unwirtlichen Teilen des nördlichen Asiens. Das Amurbecken ist im Winter einer der kältesten Orte der Welt.« Sie starrte an die nackte Hotelzimmerdecke. »Manchmal frage ich mich sogar, ob es nördlich von dort eine einzige Protokultur gegeben haben könnte. In Sibirien? Inzwischen vollständig verschollen? Eine Kultur, die all diese Stämme beeinflusst hat? Denn andernfalls wäre das alles einfach zu grotesk …«
Rob schüttelte den Kopf. Er hatte seinen Stift gezückt, das Notizbuch in seinem Schoß aufgeschlagen. »Vielleicht sind sie ja gar nicht verschwunden, diese Kulturen.«
»Wie meinst du das?«
»Die Schädel, sie sehen asiatisch aus. Mongolid. Vielleicht sind diese Kulturen im Osten gar nicht untergegangen, sondern einfach … nach Westen gezogen. Könnte es zwischen diesen hochentwickelten asiatischen Stämmen und Göbekli eine Verbindung geben?«
Christine nickte und gähnte. »Ja, ich glaube schon. Doch, doch, durchaus. Mein Gott, Rob, ich bin müde.«
Rob machte sich Vorhaltungen. Sie hatten vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen; sie hatten getan, was sie konnten. Er verlangte zu viel von Christine. Deshalb bat er sie um Entschuldigung und legte sich neben sie aufs Bett.
»Rob, wir werden sie retten«, sagte Christine bestimmt. »Glaub mir.« Sie umarmte ihn. »Das verspreche ich dir.« Rob schloss die Augen. »Lass uns schlafen.«
Am nächsten Morgen wurde Rob von einem brutalen Traum aus dem Schlaf gerissen. Er hatte geträumt, dass Cloncurry ihn verprügelte, wild mit den Fäusten auf ihn eintrommelte, doch als er aufwachte, merkte er, dass die dumpfen Schläge von Trommeln kamen. Männer marschierten die dunkle Straße vor dem Hotel hinunter und schlugen große Basstrommeln, um die Menschen für die Mahlzeit vor Tagesanbruch zu wecken. Das traditionelle Ramadan-Ritual.
Seufzend hob Rob seine auf dem Nachttisch liegende Armbanduhr hoch. Erst vier Uhr morgens. Er starrte an die Decke und lauschte dem dumpfen Dröhnen der Trommeln, während Christine neben ihm friedlich schnarchte.
Zwei Stunden später war es Christine, die ihn weckte. Er wälzte sich benommen herum. Dann wankte er ins Bad und duschte kalt.
Radevan und seine Freunde warteten vor dem Hotel. Sie halfen ihm, die Box mit dem Schwarzen Buch im Kofferraum zu verstauen. Dann fuhren sie los. Weil er nichts gefrühstückt hatte, aß Rob während der holprigen Fahrt zum Tal des Mordes ein hartgekochtes Ei und etwas Pitabrot.
Nach ihrer Ankunft beobachtete Rob die Kurden beim Graben. Es war, als wüssten sie, dass die
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