Genesis Secret
Plackerei bald ein Ende hätte, egal was geschähe. Sie machten einen gelösten Eindruck. Es war der letzte Tag. Am nächsten Morgen wäre die Zeit um. Egal, was passierte. Robs Magen verknotete sich vor Anspannung.
Um elf stieg er auf einen Hügel am Rand des Tals und schaute auf das flache, silbrige Wasser des Südostanatolien-Projekts.Es war nur noch ein, zwei Kilometer entfernt und schien immer schneller über die Hügel zu strömen und Vertiefungen zu füllen. Der Damm würde sie vor den Wassermassen schützen, aber trotzdem war die herannahende Flut ein bedrohlicher Anblick. Auf dem Damm stand eine kleine Schäferhütte. Wie ein Wachposten, der sie vor dem nahenden Wasser warnte.
Rob setzte sich auf einen Stein und machte sich ein paar Notizen: fädelte die kostbaren Fakten wie Perlen auf die Schnur der Erzählung. Dabei kam ihm eine Bibelstelle in den Sinn, die sein Vater in der Mormonenkirche immer vorgelesen hatte. Aus dem Buch Genesis, Kapitel 6: -»Da sich aber die Menschen begannen zu mehren auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten …«
Eine halbe Stunde lang schrieb er, strich aus, schrieb neu. Er hatte es fast geschafft; der Artikel war beinahe fertig. Er klappte das Notizbuch zu und ging wieder zur Talsohle hinunter. Dort sah er Christine auf dem Boden liegen, als schliefe sie. Aber natürlich schlief sie nicht: Sie schaute ganz flach über den Boden.
»Ich halte nach Anomalien Ausschau«, erklärte sie und blickte zu ihm auf. »Und ich habe auch schon welche entdeckt. Da!« Sie stand auf und klatschte in die Hände, und die jungen Kurden sahen sie an. »Bitte, meine Herren«, sagte sie. »In ein paar Stunden können Sie nach Hause zu Ihren Familien gehen und diese Irre aus Frankreich für immer vergessen. Aber ein einziges Mal möchte ich Sie noch um Ihre Hilfe bitten. Dort drüben.«
Radevan und seine Freunde nahmen ihre Schaufeln und folgten Christine auf die andere Seite des Tals.
»Graben Sie hier. Und nicht zu tief, eher großflächig und flach. Danke.«
Rob holte seinen Spaten, um ihnen zu helfen. Er half lieber mit, als sich Gedanken über die mögliche Sinnlosigkeit dessen zu machen, was sie hier taten. Und über Lizzie. Über Lizzie und Lizzie und Lizzie.
Beim Graben fragte er Christine nach den Neandertalern. Er erinnerte sich, dass sie auf mehreren Grabungen tätig gewesen war, wo Neandertaler gelebt hatten. Zum Beispiel im französischen Moula-Guercy am Rhöne-Ufer.
»Glaubst du, sie haben sich mit Homo sapiens vermischt?«
»Möglicherweise.«
»Aber gibt es nicht auch eine Theorie, der zufolge sie einfach ausgestorben sind? Die Neandertaler?«
»Ja, die gibt es. Es gibt aber auch Indizien, dass sie sich mit den Menschen gekreuzt haben.« Christine wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Möglicherweise haben sich die Neandertaler sogar in den menschlichen Genpool hinein vergewaltigt. Falls sie vom Aussterben bedroht waren, weil sie beim Kampf um Nahrung nicht mithalten konnten oder aus sonst einem Grund, hätten sie selbstverständlich mit allen Mitteln versucht, den Fortbestand ihrer Spezies zu gewährleisten. Zumal sie größer und kräftiger waren als Homo sapiens. Möglicherweise allerdings auch dümmer …«
Rob beobachtete einen am Himmel kreisenden Vogel: wieder ein Geier.
»Könnte sich, falls sie sich mit den Menschen vermischt haben, dadurch etwas an deren Verhaltensweisen geändert haben? An der menschlichen Kultur?«
»Ja. Möglicherweise kam dadurch Kannibalismus auf. Vor dreihunderttausend vor Christus gibt es im Repertoire menschlicher Verhaltensmuster keine Anzeichen für organisierten Kannibalismus. Aber die Neandertaler waren eindeutig kannibalistisch. Deshalb …«, sie legte nachdenklich den Kopf auf die Seite, »deshalb ist es durchaus möglich, dass die Neandertaler einige ihrer Besonderheiten eingeführt haben - wie zum Beispiel den Brauch, ihre Artgenossen zu fressen.«
Eine Maschine der türkischen Luftstreitkräfte schoss über den Himmel. Christine führte einen weiteren Gedanken aus. »Ich habe heute Morgen länger über diese enorm großen Knochen nachgedacht, die wir gestern gefunden haben. Die von diesen riesigen Hominiden.«
»Ja?«
»Also … deine Theorie, dass sie aus Zentralasien zugewandert sind … daran könnte durchaus etwas sein. In gewisser Weise.«
»Inwiefern?«
»Der größte Hominide, den
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