Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
gegenüber einem Angeklagten, der jede Auskunft verweigert, und haben die Aufgabe, die Wahrheit auf dem Weg des Indizienbeweises zu ermitteln. Alle Belege, die wir beibringen können, tragen den trügerischen Charakter von Indizien. Wie würden wir den Richter beurteilen, der sein Urteil nur auf Grund eines Teiles der verfügbaren Indizien fällt? Nur durch Zusammenfassung aller Geo-Wissenschaften dürfen wir hoffen, die ›Wahrheit‹ zu ermitteln.« 24
Das bedeutete natürlich keineswegs, dass er Zweifel an seiner Theorie bekam. Allein, was die Ursache der Kontinentwanderungen anbelangte, sei der neue Newton noch nicht gekommen, aber man brauche wohl nicht zu die Sorge zu haben, dass er ganz ausbleiben werde, denn schließlich sei die Theorie noch jung, schrieb er.
Doch den neuen Newton sollte Wegener nicht mehr erleben. Erneut zog es ihn vom Schreibtisch fort ins ewige Eis. Ein Plan für eine Grönlandexpedition reifte in ihm, die ganz neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringen sollte. Zentraler Punkt war die Errichtung einer Station an der Westküste Grönlands sowie einer weiteren auf dem Inlandeis. Dann wollte er erstmals die Eisdicke mit einem Echolot messen. Diese Methode war erst kurz zuvor auf einem Alpengletscher erfolgreich angewendet worden. Darüber hinaus plante er Schweremessungen, Bohrungen und Messungen der Gletscherbewegung. Und selbstverständlich wollte er wieder jede Menge Wetterdaten sammeln.
Obwohl eine Weltwirtschaftskrise herrschte, gelang es ihm, von der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft die nötigen Mittel zu erhalten. Am 1. April 1930 legte die ›Disko‹ ab, doch schon Anfang Mai blieb das Schiff im Eis stecken. Sechs Wochen lang war die immer nervöser werdende Mannschaftzur Tatenlosigkeit verdammt. Dann endlich riss das Eis etwas auf. Mit Dynamit sprengten sie den Weg frei und dampften an der Westküste Grönlands entlang zu ihrer Aufstiegsstation. Diese hatten sie im Rahmen einer Vorexpedition ausgemacht: ein Gletscher nahe der Siedlung Uummannaq, 590 Kilometer nördlich des Polarkreises. Dort wurden der Transport auf den Gletscher und der Bau der Basisstation zur Qual. 2500 Kisten mit einem Gesamtgewicht von 120 Tonnen hatte Wegener zusammengestellt. Das Eis wurde in der Sommersonne brüchig, weswegen sie nur nachts arbeiteten. Insbesondere aber bereitete Wegener der Zeitverzug, der seine gesamte Planung umgestoßen hatte, große Sorgen.
Endlich machte sich eine Mannschaft auf den etwa 400 Kilometer langen Weg landeinwärts, um die Station »Eismitte« anzulegen. Gemütlich wurde die nicht. Im Grunde handelte es sich schlicht um eine in das Firneis gegrabene Höhle. Bis zum 30. September gelang es, insgesamt mehr als drei Tonnen an Ausrüstung und Proviant dorthin zu transportieren, so dass der Meteorologe Johannes Georgi und der Studienrat Ernst Sorge dort überwintern konnten: »Schlafkojen aus Firn waren beim Ausschachten gleich stehengelassen worden. Der Zugang zur Firnhöhle wurde durch drei Vorhänge aus Säcken, Gummi und Rentierfellen abgeschlossen«, beschrieb Sorge die abenteuerliche Behausung. 25
Für die Transporte hatte Wegener erstmals auch geschlossene Schlitten eingesetzt, die mit einem Propeller angetrieben wurden. Unter günstigen Bedingungen liefen diese recht gut, doch bei Steigungen oder Gegenwind erwiesen sich die Motoren als zu schwach. Derweil wurde die Versorgung von »Eismitte« immer drängender. Die Männer fuhren, was das Zeug hielt. Die Achsen verbogen sich, und schließlich fielen die Motoren aus. Die Station war aber auf keinen Fall ausreichend versorgt, vor allem benötigten Georgi und Sorge Petroleum zum Heizen. »Was tun? Jetzt ist die Katastrophe da«, 26 notierte Wegener am 6. September in seinem Tagebuch.
Mutig machte er sich zusammen mit Fritz Loewe von der Flugwetterstelle Berlin, 13 Grönländern und 15 Hundeschlitten am 22. September auf den Weg nach Eismitte. Das Wetter war schlecht, die Tage wurden immer kürzer. Sechs Tage später, bei Kilometer 62, war die Lage so verzweifelt, dass die Grönländer sich weigerten weiterzumarschieren. Wegener aber blieb fest entschlossen, sich durchzukämpfen, und konnte vier Grönländer überreden. Damit schrumpfte aber auch das Gepäck erheblich zusammen. »Das Ganze ist eine schwere Katastrophe, und es nutzt nichts, es sich zu verheimlichen. Es geht jetzt ums Leben«, 27 notierte er.
Doch das Wetter wurde noch schlimmer. Tiefer Neuschnee, Gegenwind und Temperaturen bis minus 50 Grad
Weitere Kostenlose Bücher