Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Celsius machten das Marschieren zur kräftezehrenden Tortur. Am 7. Oktober (Kilometer 151) kehrten drei weitere Grönländer um, so dass nur noch Wegener, Loewe und der verbliebene Grönländer Rasmus Villumsen weiterzogen. Obwohl Wegener mit fast fünfzig Jahren der Älteste von ihnen war, erwies er sich als der Zäheste. Morgens bereitete er das Frühstück, als Loewes Zehen zu erfrieren drohten, massierte er sie.
Nach vierzig Tagen erreichten sie endlich »Eismitte«. Selbst Wegener hatte daran zeitweilig gezweifelt. Nur vierzig Liter Petroleum sowie ein Zelt, Segeltucheimer, Schaufel und eine Laterne hatten sie noch bei sich. Georgi und Loewe hatten sich in ihre Schlafsäcke verkrochen und begrüßten ihre Retter begeistert. Einen Tag später, am 1. November 1930, feierten sie Wegeners fünfzigsten Geburtstag – so gut das eben ging in dem finsteren Eisloch. Noch am selben Tag brachen Wegener und Villumsen wieder auf, denn sie wussten, dass für fünf Mann die Lebensmittelvorräte in »Eismitte« nicht reichten. Sie wollten zurück ins Basislager an der Westküste. Dort kamen sie nie an.
Erst im Mai machte sich eine Mannschaft auf die Suche. In 189 Kilometer Entfernung von der Küste entdeckte sie zwei im Schnee steckende Skier. Sie markierten Wegeners Eisgrab.Sein Körper zeigte keine Erfrierungen, vermutlich war er an Herzschwäche gestorben, die ihm ein Arzt bereits während des Krieges attestiert hatte. Rasmus Villumsen hatte Wegeners Tagebuch an sich genommen, um es zur Weststation zu bringen. Doch auch er kam dabei ums Leben; sein Leichnam wurde nie gefunden. Alle anderen überlebten die Expedition und führten sie fort – unter der neuen Leitung von Kurt Wegener. Er übernahm auch die Professur seines Bruders an der Universität Graz und gab die Expeditionsergebnisse heraus.
Mit Alfred Wegeners Tod hatte die Kontinentalverschiebungs-Theorie ihren Schöpfer und überzeugtesten Streiter verloren, ein Nachfolger fand sich lange nicht. Es dauerte mehr als ein Vierteljahrhundert, bis neue Forschungsergebnisse sie wieder ins Rampenlicht rückten. Insbesondere die Erkundung des Meeresbodens offenbarte eine Reihe verblüffender Erkenntnisse. So fand man heraus, dass das Grabensystem des Mittelatlantischen Rückens ganz offensichtlich eine Nahtstelle von Kontinentalplatten ist. Hier quillt heißes, zähflüssiges Gestein aus dem Erdinnern hervor und schiebt den Meeresboden auseinander. Der amerikanische Geologe Harry Hess von der Princeton University führte für diesen Prozess 1960 den noch heute üblichen Begriff »Sea-Floor Spreading« ein.
Hess’ Hypothese war zunächst heiß umstritten, bis das Forschungsschiff »Glomar Challenger« ab 1968 Bohrkerne aus dem Meeresboden zog. Diese zeigten, dass das Alter der Sedimentschicht mit wachsendem Abstand vom Mittelatlantischen Rücken zunimmt. Genau das erwartet man, wenn sich der Meeresboden an einem solchen Rücken ständig erneuert und von ihm wegwandert.
Faszinierend war auch eine andere neue Forschungsrichtung: der Paläomagnetismus. Kühlt sich eine Gesteinsschmelze ab und erstarrt, so behalten winzige eisenhaltige Minerale wie eine Kompassnadel ihre Nord-Süd-Richtung bei. Sie werden gewissermaßen eingefroren. Als man nun sehr alte Gesteine aus Europa und Nordamerika, die zur selben Zeiterstarrt waren, verglich, stellte man fest, dass ihre Nordrichtungen nicht auf ein und denselben Punkt wiesen. Berücksichtigte man aber die von Wegener vorhergesagte Verschiebung der Kontinente, so passte wieder alles zusammen.
Selbstverständlich ist Wegeners Theorie nicht unverändert erhalten geblieben, das hätte ihr Schöpfer selbst wohl auch nicht erwartet. Doch die moderne Plattentektonik ist ihre direkte Weiterentwicklung. Zum Beispiel ist das globale Plattenpuzzle vielteiliger, als Wegener dachte. Heute kennt man – je nach Definition – sieben oder acht große, sieben mittlere und mehrere Dutzend kleine Platten. Wo große Schollen zusammenstoßen, taucht eine unter die andere ab. In diesen Gebieten befinden sich besonders viele aktive Vulkane, und es treten starke Erdbeben auf. Gleichzeitig entstehen dort Gebirge. Dies ist zum Beispiel unter den Anden und dem Himalaja der Fall. Dort schiebt sich mit fünf Zentimetern pro Jahr die indische unter die eurasische Platte. Erst in den 1980er Jahren gelang es, die Bewegung der Kontinente direkt mit Hilfe von Satelliten zu messen.
Auch der Antrieb für die Plattentektonik ist gefunden. Es ist die innere Wärme
Weitere Kostenlose Bücher