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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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nächsten Morgen trifft Gustav ein. Sein Bruder Otto ist noch kurz bei Bewusstsein und soll gesagt haben:»Opfer müssen gebracht werden.« 1 Ob Legende oder Wahrheit, Otto Lilienthal wird auf einem Leiterwagen zum Bahnhof transportiert und gelangt von dort in einem Güterwagen zum Lehrter Bahnhof nach Berlin, wo sich eine dramatische Szene abspielt. Seine wartende Ehefrau ist erschüttert und bricht bewusstlos zusammen. Mit einem Krankenwagen fährt man Lilienthal so rasch es geht in eine Klinik, doch jede Hilfe kommt zu spät. Abends gegen halb sechs erliegt der Flugpionier seinen Verletzungen. Er hat sich den dritten Halswirbel gebrochen.
    Otto Lilienthal wurde nur 48 Jahre alt. Kein anderer vor ihm hat so systematisch die Bedingungen des Fliegens untersucht wie er, mit seinen Schriften und Experimenten läutete er das Luftfahrtzeitalter ein. Der Pionier Wilbur Wright erinnerte sich später, dass er und sein Bruder nach Lilienthals Tod wieder damit begannen, sich »mehr als oberflächlich« mit dem Fliegen zu beschäftigen. »Lilienthal dachte nicht nur, er handelte; und so leistete er den vielleicht größten individuellen Beitrag zur Lösung des Problems, wie der Mensch fliegen kann … Als Flugforscher war keiner seiner Zeitgenossen ihm ebenbürtig«, 2 schrieb Wright.
    Lilienthal und andere Pioniere wurden bis zu den ersten erfolgreichen Flügen der Brüder Wright am Beginn des 20. Jahrhunderts als Spinner abgetan. Einige von ihnen unternahmen ihre Versuche in der Nacht, um dem Gespött der Leute zu entgehen. An staatliche Unterstützung für die teure Forschung war überhaupt nicht zu denken.
    *
    Im deutschen Revolutionsjahr 1848 musste Caroline Lilienthal ihren Ehemann Carl Friedrich Gustav mit allen Mitteln davon abhalten, nach Berlin zu fahren und sich den Aufständischen anzuschließen. Dabei hatte der Tuchhändler allen Grund, in seinem Heimatort Anklam zu bleiben: Seine Frau war schwanger.Am 23. Mai kam sie nieder und brachte einen gesunden Jungen zur Welt: Otto Lilienthal. Schon im nächsten Jahr gesellte sich ein kleines Brüderchen namens Gustav hinzu. Zeit ihres Lebens hielten die beiden zusammen wie Pech und Schwefel. Später schrieb Otto in seiner kleinen Familienchronik, Gustav sei sein zweites Ich.
    Die Lilienthals waren in Anklam bekannt. Der Vater zeigte offen seine bürgerliche Gesinnung, gleichzeitig unterstützte die Mutter die Interessen ihrer wissbegierigen Kinder, wo es nur ging, und ließ ihnen mehr Freiheiten als damals üblich, was der eine oder andere Nachbar misstrauisch beäugte.
    Allerdings fiel es den Eltern zunehmend schwer, die Kinder zu versorgen. Das Geschäft ging immer schlechter, und 1854 musste der Vater Konkurs anmelden. Es folgten harte Jahre mit den schlimmsten nur denkbaren Folgen: Innerhalb einiger Jahre starben fünf ihrer Kinder. Lediglich Otto und Gustav sowie deren jüngere Schwester Marie blieben der Familie erhalten. Schließlich gab der Vater jede Hoffnung auf, in Deutschland je wieder auf einen grünen Zweig zu kommen, und plante, nach Amerika auszuwandern, doch dazu kam es nicht mehr, denn er starb 1861 an Schwindsucht.
    Caroline war eine starke Frau, die ihre ganze Energie in die Erziehung ihrer drei verbliebenen Kinder steckte. Bücher gehörten zum Alltag der Lilienthals, und da hatte es besonders eines den Brüdern angetan: ›Die Reisen des Grafen Zambeccari‹, eines italienischen Luftschiffers, der 1812 ums Leben gekommen war, als sein Ballon beim Aufstieg Feuer fing. Dieser Bericht weckte nach Gustavs Erinnerung das Interesse für das Fliegen. Doch nicht die Ballonfahrt war ihr Ziel, sondern das Fliegen wie ein Vogel. Und hier hatten sie ihre Vorbilder direkt vor Augen: Störche, die in großer Zahl in der Umgebung nisteten.
    Tag für Tag wanderten Otto und Gustav hinaus zur Karlsburger Weide und beobachteten die großen Vögel, wie sie sich vom Boden erhoben und mühelos am Himmel schwebten.Warum nicht selbst fliegen, fragten sich die beiden Brüder – und schritten zur Tat.
    Aus dünnem Buchenspan fertigten die 14 und 13 Jahre alten Buben zwei jeweils zwei Meter lange Bretter, schnallten sich diese an die Arme und versuchten damit, von einem Hügel hinablaufend aufzusteigen. Das getrauten sie sich erst bei Dunkelheit, damit sie niemand bei den törichten Versuchen sah. Die Flügelbretter funktionierten natürlich gar nicht, obwohl die Jungs extra gegen den Wind gelaufen waren, wie es nach ihren Beobachtungen auch die Störche taten. Doch sie gaben

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