Genom
werde ich mich wohl mit den Kaffeten zufriedengeben müssen.«
»Aber übertreiben Sie es damit nicht. Jemand, der von Natur aus so nervös ist wie Sie, sollte sich vom Koffein lieber fernhalten.« Die Tür der Wohnung glitt ganz auf, und sie ging hinaus. »Ich habe einen Teil des Getränkespenders blockiert, sodass er keinen Alkohol oder andere Stimulanzien abgibt.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich bin nicht so ein Genussmensch, wie Sie zu denken scheinen. Ich habe schon zu oft mit angesehen, wie Freunde ihr Leben gleichzeitig mit ihren Hemmungen verloren haben.« Dann winkte er ihr zu, und sie war verschwunden.
Die nächste halbe Stunde verbrachte er erfolglos mit dem Versuch, die Blockierung, die sie am Küchenspender angebracht hatte, zu beseitigen.
***
Sverdlosk hatte zugestimmt, sie in ihrer gemeinsamen Mittagspause in seinem Büro zu empfangen. Auch wenn sie denrätselhaften Faden nie ganz aus ihren Gedanken verbannen konnte, musste sie sich doch um ihre Stammklienten sowie um neue Patienten und Empfehlungen kümmern. Ihre Angestellten und Freunde merkten schnell, dass sie nicht ganz bei der Sache war.
»Du bist abgelenkt, dyevooshka .« Sverdlosks Augen unter den Augenbrauen, die buschig wie Raupen aus dem Regenwald waren, funkelten. Mit der runzligen Haut unter den Augen, der vollen weißen Haarpracht und dem perfekt gestutzten kurzen weißen Bart sah er aus wie eine Nebenfigur aus einem Schauspiel von Tschechow. Eigentlich sah er sogar so aus, wie der Autor selbst ausgesehen hätte, nur dass dieser kein so beachtliches Alter hatte erreichen können. An seinen Manieren war jedoch nichts Großväterliches zu erkennen. Einige Männer blieben eben für immer dreißig – wenn auch nur in ihrem eigenen Kopf.
»Du hast ja keine Ahnung.« Während sie sprach, griff sie in die gesicherte Tasche über ihrer linken Brust. Die Klappe las ihre Fingerkuppe, öffnete sich und erlaubte es ihr, die kleine Kapsel herauszuholen, die sie darin verborgen hatte. Ohne irgendwelche Bedenken reichte sie sie dem älteren Arzt. Whisprs Besorgnis war zwar auf sie übergegangen, doch bisher hatte sie seine Paranoia noch nicht übernommen.
Sverdlosk schob seine Unterlippe vor und sah sie fragend an, dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Inhalt der Kapsel zu, die er zwischen seinen Fingern hin- und herrollte. Auf einen Wink hin rutschten Vergrößerungsgläser vor seine Augen. Ein Meld in seiner Position hätte sich eine künstliche Sichtverbesserung beschafft. Aber diese besaß er nicht, daher musste er sich wie Seastrom stattdessen auf standardisierte mechanische Werkzeuge verlassen.
»Und? Ich sehe einen kleinen Silberfaden, der an einemEnde etwas wie einen Anschluss hat. Ist das eine Art Speichergerät?«
Ingrid nickte. »Ich denke schon. Eine Standard-Flexverbindung akzeptiert es, aber kein Gerät in meinem Büro kann den Inhalt lesen – oder mir auch nur sagen, ob überhaupt irgendwas darauf ist.« Jetzt kam der schwerste Teil. »Außerdem ist da noch seine Zusammensetzung. Die kenne ich.«
Die weißen Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen. »Vielleicht ist dieses Speichermedium ein elektrophoretisches Geloid. Das ist eine neue Technologie, die nicht jedes Lesegerät verarbeiten kann. Was ist mit der Zusammensetzung?«
Sie starrte ihn ruhig an. »Ich habe sie mehrmals überprüft. Es scheint aus einer Art metastabilem metallischem Wasserstoff zu bestehen.«
Dieses Mal schienen die dicken weißen Augenbrauen fast zu verschmelzen. Der alte Arzt sah den Inhalt der Kapsel erneut an. »Das kann nicht ›eine Art‹ metastabiler Wasserstoff sein. Entweder es ist oder nicht. Und das werde ich schon noch herausfinden.« Er sah zu ihr auf. »Wenn mir das irgendjemand anders, der nicht gut mit mir befreundet ist, erzählen würde, würde ich vermuten, dass meine Zeit mit einem Scherz vergeudet wird.«
Ingrid stand von ihrem Stuhl auf. »Das ist kein Scherz, Rudy. Führ deine eigenen Tests durch. Ich bin mir sicher, dass du das sowieso machen wirst. Was ich wissen muss, ist, ob etwas auf dem Faden gespeichert ist, und wenn ja, was.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass es sehr viel Geld wert sein könnte.«
»Wissen ist unsere einzige Belohnung«, erwiderte der Arzt, ohne zu zögern. »Aber Geld ist ein netter Zusatz. Jetzt hast du mein Interesse geweckt, selbst wenn auf dem Faden gar nichtsist. Doch wenn das Material wirklich so ist, wie du behauptest …« Seine Augen funkelten erneut.
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