Gentlemen, wir leben am Abgrund
dem zweiten Jahr bildete er mit dem späteren NBA – Center Todd McCulloch ein gefürchtetes Center-Duo. Als Svetislav Peši ć anrief, um ihn nach Berlin zu locken, war sein Studium noch nicht beendet. »Aber ich mache den Abschluss noch«, sagte Femerling im Stau. »Irgendwann. Wenn das alles vorbei ist.«
Nach drei Jahren kam er zurück nach Europa. 1998 wurde er gemeinsam mit Peši ć deutscher Meister und Pokalsieger. »Wir haben damals unfassbar hart trainiert«, sagt Femerling, »und wir hatten eine wirklich gute Mannschaft. Wendell Alexis. Henrik Rödl. Jörg Lütcke. Marco Peši ć . Mithat Demirel.« Als er die Namen seiner Mannschaftskameraden aufzählte, hupte Femerling. »Tommy Thorwarth«, sagte er und wirkte dabei fast wehmütig. Er warf Namen in den Raum, er sprach von Städten und Arenen. Die Max-Schmeling-Halle. Olympiakos Piräus, FC Barcelona, Panathinaikos Athen, Caroline war immer dabei.
Die Liste seiner Mitspieler aus den letzten Jahren ist lang, und wenn er sie erzählt, er singt sie fast, dann klingt sie wie eine Best-of-Platte des europäischen Basketballs. Dejan Bodiroga. Šarˉunas Jasikeviˇcius. Der blasse Italiener Gregor Fuˇcka! Wie alle Basketballer erinnert sich Femerling an einige Dinge bis ins kleinste Detail, andere sind verschwommen und zur eigenen Legende geworden.
Seine besten Jahre hat Femerling beim FC Barcelona verbracht, 2003 gewann er mit Peši ć als Trainer das Triple aus Meisterschaft, Pokalsieg und Euroleague-Titel. »Wir waren irre gut«, sagte Femerling. »Das Leben war gut.« Seine Augen leuchteten. Der wahnsinnige Brasilianer Anderson Varejao! Nacho Rodriguez. Der junge Juan Carlos Navarro, immer unrasiert. Femerling erinnerte sich, dass er sich die Spielzeit mit dem 2,25-Meter-Riesen Roberto Dueñas teilte, fifty-fifty, zwanzig Minuten für jeden von ihnen. Und später Champagner für alle.
Nach dem Triple wechselte Femerling wieder nach Griechenland, wo sich der Serbe Željko Obradovi ć bei Panathinaikos gerade zur Trainerlegende machte. Also wurde Femerlings Tochter Mia in einer Athener Privatklinik geboren, sechs Wochen zu früh. An ihre ersten Monate kann er sich kaum noch erinnern, seine erste Knieverletzung kam dazu, die miserable medizinische Versorgung und die Flüge zum Physiotherapeuten nach Leverkusen. Femerling erzählt von fliegenden Feuerzeugen, Münzen und Schlägereien. Vom hitzköpfigen Dino Raða. Von seinen teils sporadischen, teils massiven Einsätzen unter Obradovi ć . In Athen schuldete man ihm immer noch Geld, deswegen kehrte er nach Spanien zurück. Sevilla. Die Mannschaft sei gut gestartet, habe dann stark nachgelassen. »Einer von den Amis hat im Suff eine Ampel auf der größten Verkehrsinsel der Stadt umgemäht«, lacht Femerling. »Und der andere war mehr an sämtlichen Stränden Andalusiens anstatt in der Halle. Und so hat er auch gespielt.« Femerling holt sein iPhone aus der Tasche und zeigt mir ein Bild seiner Tochter in dem Sevillana-Kleid, das er vor ein paar Wochen gekauft hat. Sevilla sei super gewesen, aber die Halle immer viel zu kalt. Im Sommer, im Winter, sie war immer zu kalt.
Dann zurück nach Berlin, zurück in die Stadt, aus der Caroline kam. Schon seit Jahren hatte Familie Femerling die Altbauwohnung in Wilmersdorf, wo sie ihre Sommer verbrachten. »Mia sollte in den Kindergarten, also wollten wir auch in Berlin spielen.« Patrick Femerling sagt »wir«, wenn er von Entscheidungen spricht. Caroline und er beschließen die Dinge gemeinsam. Femerlings Agent Joel Bell sondiert den Markt, aber Entscheidungen werden am Küchentisch getroffen. »Wenn man sich so lange kennt, wie wir uns kennen«, sagte Femerling, »dann muss man ständig reden, dann muss man sich für den anderen interessieren. Dann muss man zusammen entscheiden.«
Luka Pavi ć evi ć war in seinem zweiten Jahr als Trainer bei Alba gewesen, und Femerling erinnerte sich an die Vertragsverhandlungen. Der Agent habe Grundsätzliches vorbereitet, dann sei Marco Baldi zum Frühstück zu ihnen nach Hause gekommen. Zwischen Brötchen und Ei hätte man die Details besprochen. Sie hatten damals eigentlich mit komplizierten Verhandlungen gerechnet, aber es sei tatsächlich nur noch um Einzelheiten gegangen. Man habe sich schnell geeinigt. Als Baldi gegangen sei, hätten Caroline und er einige Sekunden sprachlos im Flur gestanden. Sie hätten sich erstaunt angesehen, dann ihre Berliner Wohnungstür, und dann hätten sie gejubelt. »Vielleicht haben wir sogar
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