Geographie der Lust
der Chase Manhattan deponiert.«
Sie verschwand in ihrem Zimmer und kehrte sogleich mit ihrer Handtasche zurück. »Zweihundertzwanzigtausend. Hier.«
»Lire?«
»Nein. Dollari. Und morgen geht die Reise nach – wart mal –, ja, Boston, Washington, Philadelphia –«
»Schluß«, sagte Laura. »Ich habe keine Lust mehr.« Sie begann zu weinen. »Ich möchte keine Hure mehr sein. Ich bin verheiratet.«
»Unsinn. Du zeigst deinen Hintern mit einem Kunstwerk, das die Welt bewundert.«
Sie setzte sich neben Laura aufs Bett, umarmte und tröstete sie.
»Du könntest morgen reich sein, sehr reich. Ich habe eine Überraschung für dich.«
Laura setzte sich auf. Geld ist immer ein Trost, wenn man unglücklich ist.
»Wie siehst du denn aus?« fragte sie.
»So sieht unser Glück aus«, antwortete Lucia, »unser beider Glück. Willst du die Wahrheit wissen?«
Die Wahrheit war ein Japaner. Vierunddreißig Jahre alt, kräftig und schön, wenn man Japaner mag. Lucia mochte Japaner.
Der Zustand ihres Zimmers ließ diese Tatsache unschwer erraten.
Die Bettücher waren verknäuelt, eins von ihnen sogar in Fetzen zerrissen, die Kissen lagen verstreut auf dem Teppich. Ein Hotelaquarell mit Sonnenuntergang auf Hawaii hing schräg an der Wand, gekrönt von einem Dreieck aus seidener Unterwäsche, und die marmorne Platte eines Kaffeetischchens war wie von einem Laserstrahl sauber in einzelne Stücke zerteilt.
»Karate«, erklärte Lucia stolz.
»Und der Joggeranzug?« fragte Laura neugierig.
»Ich wollte dich täuschen, weil ich so verschwitzt war, als ich dich kommen hörte.«
»Aha.«
Laura spazierte durchs Zimmer wie ein Inspektor von Scotland Yard, ließ ihre Phantasie spielen und lachte schließlich hellauf.
»Und wie kommt man zu einem Japaner?« fragte sie.
Lucia wurde ernst und begann das Zimmer aufzuräumen, zögernd, als verschwände mit jedem Kissen eine wunderbare Erinnerung.
»Der Japaner ist deinetwegen gekommen.«
»Gut, daß ich nicht da war, ich meine gut für dich. Was wollte er?«
»Er ist im Auftrag gekommen. Man erwartet dich morgen abend. Ich habe die Adresse irgendwo aufgeschrieben. Er sprach von einer Million. Mehr sagte er nicht.«
»Das kann ich verstehen«, antwortete Laura und warf nochmals einen anerkennenden Blick durch das verwüstete Zimmer.
»Aber eine Million wäre nicht schlecht.«
»Abzüglich zehn Prozent für die Agentin«, sagte Lucia und begann laut zu singen. Es klang wie Heimweh und Sehnsucht nach Italien.
»Wie heißt er?«
»Wer?«
»Dein Japaner natürlich.«
»Naoya Ayakara«, sang Lucia schmetternd, holte das Höschen vom Rahmen des Aquarells herunter und sang gleichsam im Auftrag Puccinis: »Naaaa-oooyaaa Ayakaaara.«
»Ach ja«, bemerkte Laura, »noch etwas. Ich kriege ein Kind.«
»Das kommt davon«, sang Lucia ungerührt.
SIEBZEHN
Vor dem National Arts Club am Gramercy Park hielt am frühen Nachmittag ein kleiner Lieferwagen, dessen hintere Türen von Kugeln durchsiebt waren. Der Chauffeur und sein Beisitzer, beide Japaner, stiegen rasch, jedoch ohne Hast aus, öffneten die Hintertüren, hängten Tücher darüber und luden Tontöpfe mit winzigen Bäumen aus.
Der Mann am Portal des vornehmen Hauses war keineswegs erstaunt, hieß es doch auf einem Plakat im Entree: Bonsai Exhibition. Darunter: Privat.
Das war das einzige, was hätte erstaunen können.
»Ich nehme an, ihr Burschen kennt den Weg, ja?«
Die beiden muskulösen Japaner nickten und schickten sich an, die Tontöpfe in die Vorhalle zu schleppen.
»Sind Sie George?« fragte einer der Japaner.
George, der doorman, ein schwarzer Kunststudent, nickte und betrachtete die Tontöpfe mit den Bäumchen.
»Was ist denn das für Gemüse«, fragte er.
Einer der Japaner holte aus einer Seitentasche einen Prospekt hervor und überreichte ihm diesen wortlos und mit einem Bückling.
George setzte sich, las: » Bonsais sehen nicht nur aus wie winzige Fichten, Föhren, Ahorne und Buchen, sie sind es auch. Mit dem Unterschied, daß sie kleiner gewachsen und von Menschen gestaltet sind: eine botanische Kunst der Chinesen, die später von den Japanern verfeinert worden ist. Vor mehr als zweitausend Jahren.«
»Was habt ihr Japsen eigentlich nicht verfeinert?« fragte George, erhielt jedoch keine Antwort.
Die zwei Japaner wuchteten die Töpfe mit den Bäumchen die Treppe zum Clubhaus und in den Ausstellungssaal hinauf.
George zählte zwölf Stück.
»Und das soll eine Ausstellung werden?« fragte er.
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