Geopfert - [Gus Dury ; 1]
todsicher auf die Eier gehen und versuchen einem eine Flachbildglotze anzudrehen.
Ich ärgerte mich.
Um die Wahrheit zu sagen: Ich kochte. Ich hatte Einkäufe zu erledigen, konnte nicht erwarten, ernst genommen zu werden, solange ich aussah wie Jim aus Taxi. Allerdings hatte ich nicht vor, Cols schwer verdientes Geld auf der teuren Haupteinkaufsstraße unter die Leute zu bringen.
Ich wandte mich für mein Umstyling dem niedrigen Marktsegment zu und fand ein Save the Children , den Laden einer Wohlfahrtsorganisation. Kaufte ein Nadelstreifensakko, schwarze 501er (sehr schwarz) und ein blaues Hemd mit französischem Kragen.
Ich probierte alles an und fand mich angemessen gekleidet. Ein wenig wie Paul Weller in seiner Zeit bei The Jam, in der auf das 21. Jahrhundert upgedateten Version.
Ich ertappte die Tante hinter der Theke dabei, wie sie mich anlächelte, und lachte zurück.
»Jetzt fehlt Ihnen nur noch eine passende Krawatte«, meinte sie.
Sie hatte eine ganze Schublade voll davon, unglaublich hässliche Geräte, einige davon sogar mit Schottenkaros.
»Nein, danke. Ich trage keine Krawatten.«
»Oh, wie schade. Mir gefallen Männer mit Krawatte.«
Sie sah aus, als könnte sie jeden Moment loslegen, mir die Ohren vollzujammern.
»Mein Maurice hat immer Krawatten getragen«, sagte sie. »An jedem einzelnen Tag seines Lebens hat er eine Krawatte getragen.«
Mein Gott, jetzt fühlte ich mich richtig mies. »Okay, suchen Sie mir eine aus – aber eine nette, ja? Ich verlasse mich ganz auf Ihr Urteilsvermögen und Ihren guten Geschmack.«
Sie lächelte wie eine Hyäne, wühlte diensteifrig in den Krawatten und entschied sich für ein entsetzliches Teil mit türkis- und lavendelfarbenen Wellen. Obendrein sah das Ding aus wie aus den Siebzigern. Machte mir den ganzen Look kaputt.
»Perfekt«, sagte ich.
»Finden Sie?«
»Ich bin begeistert. Besser wär’ gar nicht möglich gewesen. Die Farben sind echt klasse.«
»Freut mich, dass sie Ihnen gefällt. Wird hervorragend zu den Nadelstreifen passen.« Sie hielt die Krawatte an mein neues Sakko.
»Na, dann packen Sie’s mal ein«, sagte ich.
Kopfschütteln. »Aber nein, Sie müssen sie schon umbinden. Ich möchte sie zur Kleidung sehen.«
Ich spürte, wie sich ein unwilliges Zucken auf meinem Gesicht breitmachte. Ich verscheuchte es mit einem breiten Grinsen. »Na fein.«
Sie sah zu, wie ich die Krawatte band, und tippte alles in die Kasse ein. Auf meinen Zwanziger bekam ich sogar noch Wechselgeld.
»Vielen Dank. Auf ein andermal«, sagte ich und versuchte aufrichtig dankbar dreinzuschauen.
Draußen winkte ich ihr noch mal zu. Drehte mich um und hätte um ein Haar ein junges Mädchen über den Haufen gerannt.
»Gus!«, sagte sie und starrte auf die Krawatte. »Nette Halsbekleidung. Sehr … retro.«
D amals, als ich noch einen guten Namen hatte, hatte ich mich hin und wieder bereit erklärt, mich eifriger Youngsters anzunehmen, die ein Praktikum machen wollten. Ich hatte da so einen Test, auf den ich durch Jimmy Rabbitte gekommen war, den Bandmanager in dem Film The Commitments . Ich fragte: »Wer sind deine Vorbilder?«
Sobald der Name des berühmten Journalisten Pilger fiel, bekamen sie den Weg zur Tür gewiesen.
Amy hingegen wartete mit diesem Knaller auf: »Lois Lane!«
Ich fand, das bewies Phantasie oder doch zumindest Ehrgeiz. Aber das einzige, was sie antrieb, war der innige Wunsch, ihren persönlichen Supermann zu finden. Am Ende bekam auch sie den Weg zur Tür gewiesen. Ich war kein Übermensch, sie aber eine minderjährige Lolita. Und ich ziemlich verheiratet. Das Mädchen, das jetzt vor mir stand, hatte sich, wie soll ich sagen, entwickelt.
Ich zog die Krawatte aus und war froh, neben einem Abfallbehälter zu stehen. »War nicht meine Idee.«
Amy lachte. »Hey, Gus – du siehst super aus.« Sie strahlte mich an, mit diesem einladenden, von Herzen kommenden Lächeln. Ich schmolz dahin.
»Danke. Du bist eine großartige Lügnerin.«
Wieder dieses strahlende Lächeln. Sie wirkte unglaublich gelassen. Ich fragte mich, ob das wirklich dieselbe Amy war, die vom Sicherheitsdienst aus dem Büro geschafft worden war, nachdem sie mir vor der gesamten Redaktion lautstark ihre unsterbliche Liebe erklärt hatte.
»Ich bin gerade auf dem Weg zu einer Vorlesung«, sagte sie, »aber es wär’ doch nett, wenn wir uns mal bei einem Kaffee so richtig ausquatschen könnten.«
»Dann studierst du also?«
»Irgendwie. Ich besuche die
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